Bei ca. einem Prozent aller Darmkrebsfälle findet man als Ursache eine Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP). Sie ist - nach HNPCC - die zweithäufigste Form von erblichem Darmkrebs. Bei einer FAP entwickeln sich bereits in jungen Jahren über 100 Polypen im Dick- und Mastdarm. Diese Polypen sind zunächst gutartige Gewebewucherungen, aus denen sich im Laufe der Zeit ein bösartiger Darmkrebs entwickeln kann.

Die Polypenzahl bei der FAP ist so groß, dass mit nahezu 100%-iger Wahrscheinlichkeit aus einem dieser Polypen im Laufe des Lebens ein Darmkrebs entsteht. Menschen mit einer FAP haben deshalb ein besonders hohes Risiko für Darmkrebs. Sie erkranken bereits im jungem Alter - im Mittel mit 36 Jahren, sehr selten bereits vor dem 15. Lebensjahr.  Das Vorsorgeprogramm für FAP-Patienten ist dementsprechend intensiv und beginnt bereits im Alter von 10 Jahren.

Gefahr von Krebs in anderen Organen

Neben den Dick- und Mastdarmpolypen entwickeln sich bei bis zu 90 % der Betroffenen auch gefährliche Polypen im Zwölffingerdarm (oberer Dünndarm). Auch diese Polypen können zu Krebs entarten: 5% der Patienten mit FAP erkranken im Laufe ihres Lebens an Dünndarmkrebs. Deshalb wird im Rahmen der Vorsorge regelmäßig der Zwölffingerdarm untersucht. Zwar haben viele Betroffene auch Magenpolypen, diese bleiben aber in aller Regel gutartig. Magenkrebs scheint bei FAP-Patienten nicht häufiger vorzukommen als in der Normalbevölkerung.

Aufgrund der langjährigen Erfahrung mit der FAP weiß man heute, dass FAP-Patienten ein erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs aufweisen. Bindegewebstumoren (Desmoidtumoren) der Bauchhöhle treten bei ihnen ebenfalls häufiger auf, als bei Menschen ohne FAP. Mehr Informationen für Patienten mit einem Desmoidtumor finden Sie hier. Darüber hinaus ist FAP mit einem erhöhten Risiko für Lebertumore im Kindesalter (Hepatoblastome) verbunden.

Ein vererbter Gendefekt

Die FAP ist eine erbliche Krankheit. Wenn ein Elternteil an FAP erkrankt ist, wird die Krankheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an die Kinder weitervererbt. Die Ursache ist ein Defekt im so genannten APC-Gen. Eine Veränderung in diesem Gen begünstigt die Entstehung von Schleimhautwucherungen (Polypen) im Verdauungstrakt.

Molekulargenetische Tests und intensive Vorsorge

Um einer FAP auf die Spur zu kommen, ist es wichtig, in der eigenen Familie nach Darmkrebsfällen oder Darmpolypen zu forschen. Besteht ein Verdacht, sollte - nach einer entsprechenden Beratung - ein molekulargenetischer Test bei allen in Frage kommenden Familienmitgliedern ab dem 10. Lebensjahr durchgeführt werden. Idealerweise wird zuerst ein bereits erkranktes Familienmitglied getestet. Das veränderte APC- Gen kann oft direkt nachgewiesen werden. Diejenigen, bei denen das APC-Gen unverändert ist, haben kein Risiko, eine FAP zu entwickeln und sollen - wie jeder andere Mensch auch - an der allgemeinen Krebsvorsorge teilnehmen.

Für die Betroffenen gibt es besondere FAP-Vorsorgeprogramme mit engmaschigen Kontrolluntersuchungen. Spezielle Zentren für familiären Darmkrebs haben sich auf die Diagnose, Früherkennung und Betreuung von FAP-Patienten und anderen erblichen Darmkrebsformen spezialisiert. Hier ist der Link zu den Zentren für familiären Darmkrebs, die sich zum Verbundprojekt "Familiärer Darmkrebs" zusammengeschlossen haben.

Vorsorgeprogramm für Patienten mit FAP

Patienten mit einer FAP haben ein extrem hohes Risiko, einmal an Darmkrebs zu erkranken. Auch das Risiko für einige andere bösartige Tumore ist erhöht. Um bei verdächtigen Veränderungen frühestmöglich handeln zu können, sind Vorsorgeuntersuchungen sehr wichtig. Einige beginnen bereits im Jugendalter.

  • Ab dem 10. Lebensjahr soll einmal pro Jahr eine körperliche Untersuchung und eine "kleine" Darmspiegelung (Rekto-Sigmoidoskopie) erfolgen. Bei der "kleinen" Darmspiegelung wird lediglich der Mastdarm (Rektum) und der untere Teil des Dickdarms (Sigma) inspiziert, weil sich bei FAP besonders oft dort Polypen bilden. Werden Polypen entdeckt, ist es wichtig, den gesamten Darm mittels kompletter Darmspiegelung (Koloskopie) einmal jährlich zu untersuchen.
  • Untersuchungen zur Früherkennung von Schilddrüsenkarzinomen sind nur für weibliche Betroffene relevant und auch für diese nicht zwingend. Ab dem 12. Lebensjahr kann eine jährliche Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse durchgeführt werden.
  • Vor dem 20. Lebensjahr wird eine vorsorgliche Operation mit kompletter Dickdarmentfernung empfohlen. Auch der Mastdarm wird dabei mit entfernt (Proktokolektomie), allerdings so, dass der After mit dem natürlichen Schließmuskel erhalten bleibt. Um in der Zeit nach der Operation sicher zu sein, dass sich kein Krebs an der inneren Nahtstelle zwischen Dünndarm und Schließmuskel bildet, wird anschließend regelmäßig eine Spiegelung dieses Bereichs durchgeführt. Das Untersuchungsintervall hängt vom Untersuchungsergebnis (Anzahl, Größe und feingewebliche Eigenschaften gefundener Polypen) ab und sollte 12 Monate nicht überschreiten.
  • Ab dem 25.-30. Lebensjahr erfolgt zusätzlich alle drei Jahre eine Spiegelung des Zwölffingerdarms (oberer Dünndarm, Doudenum), um Polypen dort rechtzeitig entdecken zu können. Das Intervall sollte in Abhängigkeit von Anzahl, Größe und feingeweblichen Eigenschaften der vorhandenen Polypen (Schweregrad der Polyposis) auf bis zu ein Jahr verkürzt werden.
Alter Untersuchung/ Maßnahme Wie oft?
ab dem 10. Lebensjahr Körperliche Untersuchung einmal pro Jahr
  kleine Darmspiegelung (Rekto-Sigmoidoskopie), wenn Polypen entdeckt wurden: komplette Darmspiegelung (Koloskopie) einmal pro Jahr
vor dem 20. Lebensjahr vorsorgliche Operation mit Entfernung von Dickdarm und Mastdarm (Proktokolektomie)  
nach der vorsorglichen Dickdarm- und Mastdarmentfernung

bei verbliebenem Mastdarmrest: Mastdarmspiegelung (Rektoskopie)

bei komplett entferntem Mastdarm: Spiegelung der angelegten Dünndarmtasche (Pouchoskopie)

mind. einmal pro Jahr
ab dem 25.-30 Lebensjahr Spiegelung des Zwölffingerdarms (mit Zugang über Speiseröhre und Magen; Ösophago-Gastro-Duodenoskopie) alle 1-3 Jahre

Dieser Text entstand mit fachlicher Unterstützung des Krebsinformationsdiensts (KID).
Quellen:
Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Version 1.1 – August 2014. AWMF-Registernummer: 021/007OL. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-007OL.html
Stjepanovic N, Moreira L, Carneiro F, Balaguer F, Cervantes A, Balmaña J, Martinelli E. Hereditary gastrointestinal cancers: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. 2019 Aug 5. pii: mdz233. doi: 10.1093/annonc/mdz233.