Wolfgang

1 posts
Mittwoch, 16. Mai 2007 - 10:37
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 30.04.07 wurde mir ein Darmkarzinom operativ entfernt. Die Diagnose des histologischen Befundes lautet wie folgt:
Sigmakarzinom pT3, pN0(0/13), L1, V0, R0, G2
Was das im einzelnen aussagt, ist mir bekannt. Der Unsicherheitsfaktor ist der Wert "L1". Unsicher in so fern, dass mir der Onkologe sagt, dass ich ganz allein die Entscheidung zu treffen hätte, ob ich zur Sicherheit eine Chemotherapie machen lasse.
Im Befund wird der L1-Wert folgendermaßen beschrieben: Tumoreinbruch in kleinen Lymphalgien
Beurteilung: Ulzeriertes, mittelgradig differenziertes tubulo-glanduläres Adenokarzinom vom intestinalen Typ mit kontinuierlicher Infiltration aller Wandschichten und Einwachsen in perikolisches Fettgewebe bis in die Subserosa. Peritumorale Lymphangiosis carcinomatosa und fokale granulozytär einschmelzende Entzündung. Tomorfreier oraler, aboraler und lateraler Resektionsrand. 13 paratumorale tumorfreie Lymphknoten.
Als Laie beschäftigt mich folgendes: Der Chirurg sagt, dass 20 cm rausgeschnitten wurden, bis ins gesunde Gewebe. Kein Lymphknotenbefall, keine Metastasen.
Wenn nun alles Kranke entfernt wurde, kann ich dann nicht davon ausgehen, dass diese L1-Geschichte sich damit auch erledigt hat? Oder kann doch irgendeine vorwitzige Krebszelle durch die Lymphbahnen entwischt sein?
Wer hat Erfahrung mit solch einem Grenzfall, oder wohin kann ich mich wenden, um die Sache eindeutig zu klären? Auf alle Fälle werde ich mir noch eine 2. Meinung anhören, wozu mir der Onkologe in meinem Fall auch fairerweise geraten hat.
Lieben Gruß

Jimbo

62 posts
Mittwoch, 16. Mai 2007 - 14:24
Hallo,
ich kann nicht allzuviel zu Deiner Entscheidung beitragen. Sinngemäss ergänzen darf man wohl noch einen M0 Status.
Ich habe einiges im Internet recherchiert, erinnere mich aber nicht daran, einmal eine Statistik oder Dissertation gefunden zu haben, bei der zwischen L0 und L1 bei ansonsten N0, M0 unterschieden wurde. Diese dürften dann wirklich nur Onkologen kennen. Auszuschliessen, dass Krebszellen durch die Lymphbahn abgewandert sind, kann man wohl nicht. Insgesamt sieht Dein Staging aber sehr hoffnungsvoll aus. Bei 20cm Darmentfernung dürte es sich um den Sigma-Darm gehandelt haben. Falls Du PKV versichert bist oder es als GKV Versicherte investieren magst, frag den Onkologen doch mal ob er ein PET (oder PET/CT) für sinnvoll erachtet.
Frage am Rande: Woher kommst Du?
Gruß
Jimbo

Marion

64 posts
Mittwoch, 16. Mai 2007 - 15:56
Hallo Wolfgang,
kann deinen "Entscheidungsnotstand" gut verstehen. Habe mit meiner Mutter eine ähnliche Situation pT4, pN0(0/14),
pM0,R0,G2,L1,V0.! - Wir wissen derzeit auch noch nicht, ob sie eine Chemo machen muss/soll. Würde auch gerne etwas mehr darüber wissen. Auf alle Fälle sollten wir uns eine 2.te oder auch 3.te Meinung einholen!
Würde mich freuen, wenn du mich/uns weiter auf dem Laufenden hälst....
Alles Liebe für dich, gruß marion

Alexandra, 34

16 posts
Donnerstag, 17. Mai 2007 - 21:40
Hallo Wolfgang,
auch ich kann Ihren "Notstand" gut verstehen. Meinem Mann wurde vor 4 Jahren 1 Meter Dickdarm entfernt. Glücklicherweise waren auch bei ihm keine Lymphknoten befallen oder Metastasen da. Von einer vorsorglichen Chemo wurde damals gleich durch die Ärzte Abstand genommen. Nach ca. 2 Jahren hatte sich ein neuer Tumor im Bauchraum gebildet, der dann in den Dünndarm reingewachsen war. Aber auch hier glücklicherweise keine Metastasen oder sonstiges. Der Chefarzt der meinen Mann operierte sprach dann von einer vorsorglichen Chemo, der Onkologe den wir konsultierten riet sehr davon ab, eine vorsorgliche Chemo zu machen, da eine solche meinem Mann nur geschadet, d.h. seinen Allgemeinzustand nur verschlechtert hätte. Die zweite OP war im Dezember 2005, bis heute ist gott sei Dank Ruhe und ich hoffe dass diese ganze Sache damit auch ausgestanden ist.
Am besten wird es sein wenn Sie sich wirklich noch eine zweite Meinung einholen.
Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall alles Gute!
Liebe Grüße
Alexandra
Gast
Freitag, 18. Mai 2007 - 07:11
Sehr geehrter Herr Katt,
auch der nächste Onkologe kann Ihnen die Entscheidung nicht abnehmen. Das liegt daran, dass es bisher keine guten Daten und schon gar keine Studien über Patienten gibt, die N0 sind aber L1-Status haben.
L1 bedeutet, dass der Tumoreinbruch in ein Lymphgefäß nachgewiesen wurde. L0 bedeutet dagegen nur, das kein Tumoreinbruch in ein Lymphgefäß nachgewiesen wurde - es bedeutet nicht, dass kein Tumoreinbruch da ist (kein Pathologe der Welt kann den gesamten Tumor lückenlos untersuchen). Welchen Stellenwert ein solcher Tumoreinbruch in ein Lymphgefäß hat, wenn keine Lymphknotenmetastasen vorhanden sind weiss noch niemand genau. Es wird angenommen, dass die Prognose schlechter ist und dass eine Chemo helfen könnte, die Prognose zu verbessern.
Für eine genaue Aussage müsste man eine Studie (mit und ohne Chemotherapie machen - diese würde aber wegen der kleinen Zahl von Patienten, die L1 N0 sind, sehr sehr lange dauern (mindestens 10 Jahre, wenn sich sehr viele Krankenhäuser finden, die alle ihre Patienten in eine solche Studie einbringen). Eine solche Studie ist also illusorisch. Dazu kommt, dass in den meisten Pathologien der L-Status erst seit wenigen (<5 Jahren) routinemäßig bestimmt wird und es immer noch Pathologien gibt, die dazu keine Aussagen machen (unter anderm deswegen, weil sie eben bei L0 keine sichere Aussage machen).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. J. Sauer

Marion

64 posts
Freitag, 18. Mai 2007 - 14:29
Sehr geehrter Herr Dr. Sauer, danke für Ihren hilfreichen Beitrag! -
Da auch meine Mutter N0, L1 hat, werden wir wohl in der nächsten Zeit einer vorsorglichen Chemo zustimmen.
Liebe Grüsse, Marion
Gast
Samstag, 19. Mai 2007 - 13:46
Hallo Herr Katt,
ich habe meine adjuvante Chemo (bei T4 G3, alles andere 0) vor zwei Jahren abgelehnt und wüsste jetzt auch nicht zu sagen, ob ich bei L1 anders gehandelt hätte. Sie hatten gefragt: "Wenn nun alles Kranke entfernt wurde, kann ich dann nicht davon ausgehen, dass diese L1-Geschichte sich damit auch erledigt hat?"
Ob "alles Kranke" entfernt wurde, kann Ihnen letztlich keiner garantieren. Eine Streuung von Krebszellen kann erst ab einer Zellballungsgröße von ca. 500 Zellen nachgewiesen werden. Sprich, sitzen da jetzt irgendwo Zellballungen von 30 oder 40 Zellen wird es als gesundes Gewebe diagnostiziert. Genau deshalb wird die adjuvante Chemo vorgeschlagen.
Wie viel größer die Chance ist, solche Zellballungen zu frühem Zeitpunkt zu zerstören als wenn man zunächst abwartet, weiß ich allerdings auch nicht zu sagen. Wenn da etwas ist, würde man es wohl spätestens in einem halben Jahr diagnostizieren können.
Ich drücke Ihnen die Daumen, dass Sie alles gut überstehen.
LG Birgit
Gast
Samstag, 19. Mai 2007 - 17:56
Hallo Wolfgang und Marion,
ich hatte mal gelesen (bei onmede.de im Forum von Dr. Hennesser), daß die Höhe des CEA vor der OP ein zusätzlicher Prognosefaktor sein kann. Wie dieser Prognosefaktor gewichtet wird weiß ich aber nicht.
Ob die PET eine Entscheidungshilfe sein kann halte ich für fraglich, weil auch mit der PET einzelne Krebszellen nicht nachweisbar sind.
Freundliche Grüße Karl
Gast
Sonntag, 20. Mai 2007 - 00:13
Hallo Karl,
ich hatte trotz T4 noch nie irgendwelche Hinweise innerhalb der blutwerte auf irgendein Krebsgeschehen. Tumormarker können einen Hinweis geben, müssen es aber nicht zwangsläufig.
LG busymouse
Gast
Montag, 21. Mai 2007 - 10:12
Hier berichte ich, was ich in der Zwischenzeit erfahren konnte:
@ Jimbo: Antwort auf die Randfrage: Berlin
@ Marion:Bei meinen Recherchen im Internet bin ich auf folgende Seite gestoßen:
http://www.krebsinformationsdienst.de/Adressen/krebsforschungadressen.html
Der Krebsinformationsdienst sitzt in Heidelberg.
Auf der Seite ist unten eine Krebsinformationsnummer angegeben:
0 800 - 420 30 40 (kostenlos aus dem deutschen Festnetz)
Es erfolgt eine Weiterleitung zu kompetenten Ärzten.
In meinem Falle hatte ich eine sehr freundliche Ärztin am Telefon, der ich wortgetreu die Diagnose und die Beurteilung vorgelesen habe. Das hat sie mir erst mal verständlich gemacht, indem sie die Fachbegriffe in verständliches Deutsch übersetzt hat.
Dann schaute sie in entprechender Fachliteratur nach, in der die verschiedenen Tumorstadien genau klassifiziert werden. Sie meinte, dass für meine Diagnose und Beurteilung eine Chemotherapie nicht initiiert(den Anstoß geben, in die Wege leiten) ist.
Das ist erst mal nach dem Gespräch mit dem Onkologen eine neue Aussage.
Desweiteren sagte sie, dass eine positive Lebensweise in allen Bereichen( z.B. Optimismus, gesundes Essen, viel trinken)ein heilsamer Effekt ist.
Ja, auch sie ist der Meinung, dass ich eine Entscheidung selbst treffen muss. Aber sie hat mir das schon etwas leichter gemacht, weil ich jetzt hoffnungsvoller bin.
Am 29. hole ich mir eine weitere Meinung in der Virchow-Uniklik im Tumorzentrum. Erst dann werde ich mich richtig festlegen.
Ich komm noch mal auf das Gespräch mit dem Onkologen zurück. Seine erste Aussage war, dass ich mich ganz allein für oder gegen eine Chemotherapie entscheiden muss. Auf meine etwas naive Frage, wie er sich selbst entscheiden würde, sagte er, dass er es machen lassen würde.
Dann legte er mir ein Therapieschema vor, eine Behandlung mit Xeloda und Oxaliplatin.
Der Wirkstoff 5-FU der Xeloda-Tabletten wird nur in Krebszellen wirksam, soll keine großen Nebenwirkungen haben. Das Oxaliplatin bekämpft Metastasen, aber die hab ich ja nicht!!!
Als ich der Ärztin in Heidelberg von der Therapie erzählte, konnte ich förmlich sehen, wie sie mit den Worten: "Oh Gott, oh Gott!" die Hände über dem Kopf zusammenschlug.
Aber guter Rat ist für mich nicht mehr sooooo teuer. Ich warte wie gesagt das Gespräch in der Virchowklinik ab und entscheide mich dann.
Hier wurden ausführliche Hinweise zu diesem L1-Wert gegeben. Der Onkologe sagte, dass auf Grund fehlender Studien die Erfolgsaussichten bei 3%(!!!) liegen. Das ist sehr wenig und wird meine Entscheidung mit beeinflussen.
Mein Tumormarker war vor der OP nicht auffällig. Dass ich ein Darmproblem wurde eher zufällig bei einer Vorsorgeuntersuchung beim Urologen mittels Hämokulttest festgestellt. Schmerzen hatte ich nie, aber das ist ja wohl das tückische an der Sache.
So Marion, ich rate Dir, ruf einfach mal in Heidelberg an, das ergibt wenigstens eine weitere Meinung.
Von Heidelberg habe ich noch andere Nummern: 06221422854 oder 06221422190
Ich denke, dass die Foschung am dichtesten am Thema dran ist.
Viel Erfolg
und das wünsch ich allen
Lieben Gruß
Wolfgang

Jimbo

62 posts
Montag, 21. Mai 2007 - 13:01
Hallo Wolfgang et.al.,
zunächst mal Danke für die ausführliche Beschreibung Deiner bisherigen Recherchen. Die 3% Angabe würde in etwa mit dem Ergebnis der MOSAIC Studie übereinstimmen, die eine absolute Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit des FOLFOX4 Schema von ca. 5% bei UICC II Patienten nach rund 3,5 Jahren ergeben hat. Die relative Verbesserung ist natürlich höher. Aber auch da wurde nicht zw. L0 und L1 unterschieden. Ich denke eine wirklich konkrete und fundierte Empfehlung wird es auch bisher nicht geben. Die Frage wird bleiben, ob man (Du) für ein minimale Verbesserung der (eigentlich schon recht guten) Überlebenswahrscheinlichkeit die Nebenwirkungen einer Chemotherapie und auch damit verbundenen Risiken eingehen will. Ggf. käme auch eine Chemo nach altem Mayo-Protokoll (also ohne Oxaliplatin, nur 5FU& Folinsäure) in Betracht. Da hat man wenigstens nicht das Risiko bleibender Nervenschäden, die es beim Oxaliplatin geben kann.
Gruß
Jimbo

Marion

64 posts
Dienstag, 22. Mai 2007 - 15:35
Lieber Wolfgang, mit großen Interesse habe ich deinen Beitrag gelesen.
Kann mich sehr in deine Situation hineinversetzen. Da meine Schwester und ich die Entscheidung pro/contra Chemo (bei L1)
für meine Mutter treffen müssen, bin ich natürlich dankbar für jeden Tipp bzw. Information.
Ich würde mich sehr freuen, wenn du mir/uns wissen lässt, was die Klinik dir rät. Alles Gute für den 29.! -
bis bald, marion
P.S. Ruf jetzt gleich mal in Heidelberg an......