Bei circa 30 Prozent der Darmkrebserkrankungen liegt ein familiäres Risiko für Darmkrebs zu Grunde. Man unterscheidet hierbei zwischen familiär gehäuftem Darmkrebs und erblichem Darmkrebs. Erblicher Darmkrebs wird durch eine nachweisbare Veränderung (Mutation) in einer einzelnen Erbanlage (Gen) verursacht. Von familiär gehäuftem Darmkrebs spricht man, wenn die Erkrankung in einer Familie gehäuft auftritt, sie aber nicht auf ein einzelnes Gen zurückgeführt werden kann. Beteiligt sind hier viele Gene in Kombination mit Umweltfaktoren. Familiärer und erblicher Darmkrebs treten oft bereits in jüngeren Lebensalter auf. Auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen erhöhen die Gefahr für Darmkrebs. Wer ein solches Risiko hat, muss früher als andere Menschen zur Darmkrebsvorsorge. Je nach Risiko sind die Vorsorgeuntersuchungen wegen der größeren Erkrankungsgefahr besonders umfassend.

Risiko-Check: Gehöre ich zu einer Risikogruppe?

Ein erhöhtes familiäres Risiko für Darmkrebs besteht,

  • wenn bei Ihnen selbst oder bei direkten Verwandten (Eltern, Geschwister, Kinder) Darmpolypen festgestellt wurden.
  • wenn in Ihrer Familie bereits einmal Darmkrebs aufgetreten ist.
  • insbesondere, wenn die Betroffenen bei Krankheitsbeginn jünger als 50 Jahre alt gewesen sind.
  • wenn bei Ihnen selbst oder direkten Verwandten andere Krebsarten wie z.B. Gebärmutterkrebs oder Eierstockkrebs diagnostiziert wurden.

Ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs haben Sie,

  • wenn Sie an einer dauerhaften (chronischen) Entzündung des Darmes wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn erkrankt sind.

Wie funktioniert die Vorsorge bei erhöhtem Risiko?

Der wichtigste Unterschied gegenüber der Darmkrebsvorsorge für jedermann: Gehen Sie bei erhöhtem Risiko schon im jüngeren Jahren zur Vorsorge, - nicht erst ab dem Alter von 50 Jahren! Ihr Arzt wird Ihnen dabei eine Darmspiegelung (Koloskopie) empfehlen. Sie ist die effektivste Methode zur Darmkrebsvorsorge und besonders wichtig bei Menschen mit erhöhtem Risiko. Als einzige Untersuchungsmethode ist die Darmspiegelung in der Lage, auch kleine Veränderungen der Darmschleimhaut sicher zu erkennen. Während der Untersuchungen können zudem Gewebeproben (Biopsien) aus der Darmschleimhaut entnommen werden oder möglichweise vorhandene Darmpolypen gleich entfernt werden.

Bei einem Verdacht auf erblichen oder familiären Darmkrebs stehen den Betroffenen humangenetische Beratungsstellen oder auf familiären Darmkrebs spezialisierte Zentren zur Verfügung. Dies ist ganz unabhängig davon, ob Sie erkrankt oder gesund sind. Internisten und Humangenetiker erheben hier die Krankengeschichte Ihrer Familie und informieren Sie über die Grundlagen der Erkrankung und beantworten Ihre Fragen. Es besteht - mit Ihrem Einverständnis - auch die Möglichkeit, bei dringendem Verdacht auf ein erbliches Darmkrebssyndrom in der Familie mit Hilfe molekulargenetischer Tests defekte Gene nachzuweisen. Ein solcher Test kann auch bei anderen Familienmitgliedern, z.B. bei Ihren Kindern oder Geschwistern vorgenommen werden. Zweck einer solchen Analyse ist es, das Risiko möglichst sicher zu erkennen, um einer Darmkrebsgefahr frühstmöglich und wirksam begegnen zu können.

Wer bezahlt die Vorsorge?

Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen meist die Kosten einer intensivierten Darmkrebsvorsorge bei Patienten mit erhöhtem Darmkrebsrisiko. Das heißt, dass auch die häufigeren Untersuchungen beim Spezialisten bezahlt werden, obwohl dies über die gesetzliche Darmkrebsvorsorge hinaus geht.

Vorsorge bei familiär gehäuften Darmkrebs

Liegt bei Ihnen eine familiäre Häufung von Darmkrebs vor, sollten Sie früher als andere Menschen zur Darmspiegelung gehen. Eine erste Darmspiegelung sollte 10 Jahre vor dem Alter erfolgen, in dem bei einem an Darmkrebs erkrankten Familienmitglied die Krankheit erstmals aufgetreten ist, und spätestens im Alter von 40-45 Jahren. Die Untersuchung wird mindestens alle 10 Jahre wiederholt.

Vorsorgeprogramm HNPCC

Bei Patienten mit HNPCC, der häufigsten Form des erblichen Darmkrebs, sollte ab dem Alter von 25 Jahren einmal pro Jahr eine Vorsorgeuntersuchung mit körperlicher Untersuchung, Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes, Urinuntersuchung und einer Darmspiegelung erfolgen. Bei Frauen muss zusätzlich zur gynäkologischen Untersuchung eine Ultraschalluntersuchung der Vagina durchgeführt werden, dies zur Früherkennung von Gebärmutter- und Eierstockkrebs. Wenn in der Familie Magenkrebs vorgekommen ist, ist zur Früherkennung ab dem Alter von 35 Jahren eine jährliche Magenspiegelung wichtig.

Vorsorgeprogramm bei FAP

Patienten mit einer Familiären Adenomatöse Polyposis (FAP) einer anderen Form des erblichen Darmkrebs haben ein extrem hohes Risiko, einmal an Darmkrebs zu erkranken. Deshalb sind bereits im Jugendalter Vorsorgeuntersuchungen sehr wichtig, um verdächtige Veränderungen im Darm früh zu entdecken und dann entsprechend handeln zu können. Ab dem Alter von 10 Jahren sollte einmal pro Jahr eine körperliche Untersuchung, eine Ultraschalluntersuchung und eine "kleine" Darmspiegelung erfolgen. Diese "kleine" Darmspiegelung umfasst lediglich den Mastdarm und den unteren Teil des Dickdarms, weil sich bei der FAP zuerst dort Polypen bilden. Sobald bei der „kleinen“ Darmspiegelung Polypen entdeckt wurden, ist es dann allerdings wichtig, den gesamten Darm mit einer kompletten Darmspiegelung einmal jährlich zu untersuchen.

Das Risiko, bei einer FAP einmal an Darmkrebs zu erkranken, liegt bei nahezu 100%. Um den Darmkrebs vermeiden zu können, ist eine vorsorgliche Operation mit Entfernung von Dick- und Mastdarm empfohlen. Wann diese stattfindet, muss individuell festgelegt werden als Orientierung ist ein Zeitpunkt zwischen Abschluss der Pubertät und dem Alter von 20 Jahren anzustreben. Bei der Operation bleibt der After-Schließmuskel erhalten und es wird aus Dünndarmschlingen ein Reservoir zur Sammlung des Stuhls angelegt, ein so genannter Pouch. Nach der Operation wird weiterhin jährlich eine Spiegelung des Pouchs durchgeführt, um sicher zu gehen, daß sich kein Krebs an der inneren Nahtstelle zwischen Dünndarm und After bildet.

Ab dem Alter von 25-30 Jahren wird bei den Patienten mit FAP alle drei Jahre eine Spiegelung des Zwölffingerdarms (Anfangsteil des Dünndarms) durchgeführt, um mögliche dort auftretende Polypen rechtzeitig entdecken zu können.

Bei einem kleinen Teil der FAP-Patienten treten Schilddrüsenkarzinome auf. 95 % der Betroffenen sind Frauen. Zur Vorsorge kann bei weiblichen FAP-Patienten daher ab dem Alter von 15 Jahre eine jährliche Ultraschall-Untersuchung der Schilddrüse durchgeführt werden.

Vorsorge bei chronisch entzündlicher Darmerkrankung

Patienten, die an einer chronischen, anhaltenden Darmentzündung leiden, haben ein erhöhtes Risiko, einmal an Darmkrebs zu erkranken. Zur Darmkrebsvorsorge bei diesen Patienten gelten daher spezielle Empfehlungen:

Bei Patienten mit Colitis ulcerosa ist entscheidend, wo genau und seit wann die chronische Darmentzündung besteht. Bei Befall des gesamten Dickdarms wird empfohlen, eine Darmspiegelung einmal jährlich ab dem achten Jahr nach Erkrankungsbeginn durchführen zu lassen; nach den ersten beiden Spiegelungen dann alle zwei Jahren. Dabei werden immer Gewebeproben aus allen Dickdarmabschnitten zur genauen mikroskopischen Untersuchung entnommen.

Beschränkt sich die Erkrankung auf den Mastdarm und auf den linksseitigen Anteil des Dickdarms wird ab dem fünfzehnten Jahr nach Beginn der Erkrankung regelmäßig eine Darmspiegelung durchgeführt. Auch hier erfolgt die Untersuchung zuerst jährlich, nach zwei Jahren dann alle zwei Jahre.

Morbus-Crohn-Patienten haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken.  Es liegt etwa in derselben Größenordnung wie bei Colitis ulcerosa. Daher gelten bei Morbus-Crohn-Patienten dieselben Empfehlungen zur Früherkennung wie bei Patienten mit Colitis ulcerosa.


Dieser Test entstand mit fachlicher Unterstützung des Krebsinformationsdiensts (KID).
Quellen:
Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Version 1.1 – August 2014. AWMF-Registernummer: 021/007OL (Statements 5.1 bis 5.3). 
Preiß JC, Bokemeyer B, Buhr HJ, Dignaß A, Häuser W, Hartmann F, Herrlinger KR, Kaltz B, Kienle P, Kruis W, Kucharzik T, Langhorst J, Schreiber S, Siegmund B, Stallmach A, Stange EF, Stein J, Hoffmann JC. Aktualisierte S3-Leitlinie "Diagnostik und Therapie des M. Crohn" 2014. 03.09.2014