LaTina

84 posts
Donnerstag, 5. Juni 2008 - 10:12
Seit nunmehr zwei Wochen verfolge ich dieses Forum hier, um mich unter anderem auch vom Mut Betroffener motivieren zu lassen. An dieser Stelle eine tiefe Verneigung und ein Dankeschön an diejenigen, die ihre Erfahrungen hier aufschreiben!
Vor zwei Wochen genau bekam meine Mutter (61) die Diagnose Darmkrebs. Sie hatte leichte Blutungen bemerkt und sich daraufhin untersuchen lassen, mit dem voraussichtlichen Ergebnis: Rektumkarzinom T3, N1, M0. Dies bedeutet also, ein Tumor, der bereits in die tieferliegenden Schichten der Darmwand eingedrungen ist, einige Lymphknoten befallen aber noch keine Metastasen in den Organen gebildet hat. Wirklich bestätigen könne dies aber erst der Pathologe nach der OP. Keine schöne Nachricht, aber es hätte auch noch viel schlimmer kommen können.
Vergangenen Montag erfolgte dann die Operation, "en bloc", wie diese sich nennt. Der befallene Darmabschnitt wurde auf ca. 30cm Länge entfernt, sowie das umliegende Gewebe, die Blutgefäße und die Lymphknoten. Damit ist schonmal ein entscheidender Schritt getan, der Tumor restlos entfernt.
Heute Morgen kam dann aber die verstörende Nachricht vom Chefarzt, das Ergebnis der pathologischen Untersuchung. Definitiv sind einige Lymphknoten befallen gewesen, weshalb eine anschließende Chemotherapie notwendig sei. Die Chancen auf Heilung stünden bei 60% MIT Chemo, bei 40% OHNE.
Diese Zahlen machen mir Angst, insbesondere aber meiner Mutter, die bis heute Morgen noch sehr zuversichtlich war. Ihre OP verlief super, kein künstlicher Darmausgang, kein Blutverlust, körperlich in bester Konstitution. Diese körperliche Verfassung war schonmal eine gute Grundvoraussetzung für den Verlauf der OP.
Ich versuchte, sie damit zu beruhigen, dass Statistiken im Grunde nicht wirklich viel über den individuellen Fall aussagen. In ihrem Fall sind die Voraussetzungen, also eine gute körpereigene Abwehr, keine Erkrankungen (außer dem Tumor natürlich, auch keine Vorerkrankungen oder OPs, und ihr Alter, welches für mein Empfinden noch nicht so hoch ist mit 61, doch eigentlich sehr gut und ihre Chancen dürften somit höher liegen als bei 60%....oder bin ich da völlig schief gewickelt?
Internetrecherchen verwirren mich zunehmend. Die Angst schwingt mit. Meiner Mutter gegenüber strahle ich alle Zuversicht der Welt aus, aber ich merke, dass mein Optimismus doch etwas in die Knie geht jetzt. Ich weiß leider nicht, woher ich weiterhin die Energie für Zuspruch und Optimismus nehmen soll.

Arwed

650 posts
Donnerstag, 5. Juni 2008 - 12:20
Hallo LaTina,
Es ist normal, daß nach Lymphknotenbefall eine Nachchemo durchgefürt wird. Das Risiko ist, daß nicht alle Patienten auf Chemo ansprechen. Die Tumore könnten dann neu wachsen, dann wird man mit anderen Medikamentenzusammensetzungen auch in Verbindung mit Hyperthermie und Bestrahlung nachhelfen, um einen Erfolg zu erreichen. Die körperliche Fitnes scheint aber klar darauf hin zu deuten, daß die Immunabwehr, unterstützt durch die Chemo, erfolgreich die Restzellen zerstören können.
Also nur Mut, Optimismus ist trotzdem berechtigt, es war auch "nur" T3!!
Viele Grüße
Arwed

LaTina

84 posts
Donnerstag, 5. Juni 2008 - 12:36
Hallo Arwed,
vielen lieben Dank für die schnelle Antwort und das Mutmachen! Obwohl wir ja damit gerechnet haben, dass eine Chemo notwendig sein wird, ist die Ernüchterung nach der erfolgreichen OP und den guten physischen Fortschritten erstmal groß.
Es ist unglaublich, wieviel Mut aus den Zeilen persönlich Betroffener sprudelt. Das hilft sehr.

conny

78 posts
Donnerstag, 5. Juni 2008 - 15:38
Hallo! Hab gerade mal im Forum rugelesen. Es ist schön, dass auch andere sich mit denselben Fragne rumschlagen, wie ich selbst. Aber LaTina, ich kann Dich beruhigen(Darf ich Du sagen?).Mein Mann hat dasselbe wie Deine Mama im November duchgemacht, aber leider mit künstlichem Darmausgang. Aber ich kann sagen, dass ich es mit der Chemo schlimmer erwartet habe als es sich letztlich gezeigt hat.
Zur Zeit hat er die letzte Chemo- Woche vor sich. Bei ihm sind auch die Lymphe befallen, aber ohne Metastasen. Und es geht ihm gut. Der Arzt will nach dem 25.06.08 schon eine Darmrückverlegung durchführen.
Das einzige, was auf Euch zukommt, ist die Reaktion auf die Chemo. Es geht von Euphorie bis tiefst depressiv. Ihr braucht sehr viel Kraft und vor allem Freunde und Bekannte, die zu Euch halten. Und vor allem immer versuchen, Optimimus zu verbreiten. Ich hab meinen Mann immer Tagesaufgaben gegeben (Haushalt, Besorgungen usw.), damit er gar nicht zum Nachdenken kommt. Und aufpassen, dass die körperliche Verfassung so bleibt. Mein Mann hat nicht mal Haarausfall nach der Chemo. Ihm ist nur die Woche über, wo er die Flasche trägt, etwas träge und wirr im Kopf. Er hat seit Januar eine Radio/Chemo gemacht. Es ging los mit täglicher Bestrahlung. In der zweiten Woche wurde er stationär aufgenommen und dann zusätzlich an die Chemo gelegt, d.h., er hat die Flasche um den Hals mit Port bekommen. Das ist eine gute Erfindung, bin ich der Meinung. Dann ging es wieder weiter mit täglicher Bestrahlung. In der 5. Woche wieder mit Chemo im Krankenhaus. Bis mitte Februar war Bestrahlung angesagt. Die Dauer hängt aber vom Einzelnen ab. Die letzten 4 Zyklen waren dann nur noch Chemo zu Hause. Eine Woche Flasche Tragen, 3 Wochen Pause. Er hat jetzt die letzte Woche geplante Chemo.
Ich bin zuversichtlich, dass das gut geht, auch wenn nach der Bestrahlung sehr große Schmerzen aufgetreten sind. Diese haben sich aber nach ein paar Tagen gelegt. Es gibt auch viele und gute Medikamente, die man bekommt, damit man nicht so mit der Chemo zu kämpfen hat.
Falls Du Fragen hast, bin ich gern bereit, Dir meine Erfahrungen als Angehöriger zu schildern. Und immer daran denken: Optimistisch sein und positiv denken. Das hilft schon gewaltig. Die angst mit den Internetrecherchen habe ich übrigens auch durch.Gerade die erste Zeit habe ich, wenn ich beim Arzt was aufgeschnappt habe, gleich nachgelesen. Adjuvante Therapie usw. Ich glaube eher, dass ein Erfahrungsaustausch doch besser ist, als Statistiken .
Liebe Grüße Conny

LaTina

84 posts
Donnerstag, 5. Juni 2008 - 22:54
Liebe Conny,
auch Dir vielen Dank für die ausführliche Schilderung. Es ist sehr viel hilfreicher, als Internetrecherche, das stimmt. Zahlen verwirren, und letztendlich hängt das Ergebnis doch sehr von individuellen Begebenheiten ab. Ich bin daher froh, dass meine Mutter bereits heute, am dritten Tag nach der OP, wieder auf den Beinen ist, durch ihr Zimmer spaziert, sich ein Eis beim KH-Shop holt etc. Selbst der Arzt sagte heute, dass er mit ihrem Zustand mehr als zufrieden ist.
Ich wollte dann bei der Visite heute aber doch einmal mehr Details wissen und habe nachgefragt. Schockierend waren wieder einmal Zahlen. Von 35 mitenfernten Lymphknoten waren 16 befallen. Der Arzt sagte, man wisse nie zu 100%, ob man wirklich alles erwischt hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass wieder etwas auftritt, ist bei Lymphknotenbefall eben leider höher als in einem Fall, in dem diese nicht angegriffen sind.
Heute hatte ich nach diesen Zahlen (16 von 35) dann doch selber große Angst, aber meine Aufgabe ist es, meiner Mutter soviel Mut wie möglich zu machen und den puren Optimismus zu zeigen.
Aber nun habe ich auch endlich mal einen Anhaltspunkt, wie so eine Chemotherapie abläuft. Eine Reha soll sie ebenfalls noch machen, allerdings weiß ich nicht, ob diese vor oder nach der Chemo kommen soll.
Ich werde sicher nochmal mit Fragen auf Dich zurückkommen. meine Verunsicherung ist groß und wechselt sich mit Zuversicht ständig ab.
Erstmal vielen Dank für die Antwort und für Deinen Mann eine gesunde Zukunft! Drücke Euch beiden die Daumen!
Lieben Gruß, Tina ("Tina" reciht auch, war nur als Nutzername schon vergeben natürlich ;o))

LaTina

84 posts
Donnerstag, 5. Juni 2008 - 23:03
Hallo Birgit,
bei der Visite des Chefarztes heute habe ich ihn gefragt, ob man davon ausgehen kann, dass alles, was erkrankt war, entfernt ist. Die Ärzte sichern sich generell immer ein bißchen ab und würden nie die Hand für irgendwas 100%iges ins Feuer legen. Daher sagte er, dass in der Medizin nichts wirklich sicher ist, dass aber mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, alles entfernt wurde, der Darmabschnitt auf 30cm sowie das Gewebe und die dazugehörigen, erkrankten Lymphknoten. Also gehe ich mal davon aus, dass es sich um R0 handelt. Zunächst einmal also alles "sauber", aber man könne nie wissen, ob nicht doch irgendwo noch ein Lymphknoten sitzt, der nicht erwischt wurde.
15%...das ist eine lausige Prognose gewesen. Ich freue mich sehr für Dich, dass diese Prognose nicht zutraf! Ich bewundere wirklich jeden, der da durchgehen müßte und niemals wirklich den Mut verloren hat.
Wünsche Dir weiterhin so gute Befunde und für die Zukunft alles Gute! Und Dir natürlich ebenfalls vielen Dank für die Motivation!
Tina

LaTina

84 posts
Freitag, 6. Juni 2008 - 13:43
Liebe Conny,
danke für die Info bezüglich der Nachuntersuchung der Lymphknoten. Diese scheinen der momentan einzige Risikofaktor zu sein, von daher wäre mir so eine Untersuchung auch ein Griff in die eigene Tasche wert! Werde mich mal umhören, was hier in Hamburg noch möglich ist.
Meine Cousine arbeitet als Pharmareferentin für eine Firma, die auf Medikamente für Krebspatienten, insbesondere für deren Nachbehandlung, spezialisiert ist. Da werde ich sicher auch noch ein paar Tipps bekommen. Wenn ich darüber mehr weiß, werde ich diese Info auch hier bekanntmachen. Es gibt halt ständig Neues auf dem Markt, was ja auch eigentlich beruhigend ist.
Lieben Gruß, Tina