ratte

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Samstag, 14. November 2009 - 19:37
Hallo,
lese seit geraumer Zeit die Beiträge im Forum und dachte mir, heute ist ein guter Tag, um unsere Geschichte aufzuschreiben.
Mein Mann (49) und ich (46) sind seit 30 Jahren verheiratet. 1977 hatte er einen Mopedunfall bei dem es zu einem Trümmerbruch des Beines und einer, zunächst unerkannten, Durchtrennung der Beinarterie kam. Nachdem dies erkannt wurde, musste das Bein am Oberschenkel amputiert werden und er benötigte einige Blutkonserven.
Ende 2008 litt er an Durchfällen, die sich bis zum Frühjahr 2009 ständig steigerten und Blutbeimengungen enthielten. Da er auch nachts nicht mehr durchschlafen konnte (Darmschmerzen) entschieden wir im April diesen Jahres einen Antrag auf 2 Stunden Berentung pro Tag zu stellen. Im Mai musste er zu der zuständigen Amtsärztin (Rentenstelle) wo er gefragt wurde ob er Alkohol trinkt. Wahrheitsgemäß gab er an, ab und zu Bier zu trinken. Einige Wochen später erhielten wir den Bericht, in dem die Ärztin angab, er könne sehr wohl 8 Stunden pro Tag arbeiten, sie empfehle aufgrund seiner Leberwerte aber eine Alkoholentwöhnungs-therapie - Antrag wurde abgelehnt. Zu dieser Zeit war mein Mann schon so erschöpft und müde, dass ich ihn einige Zeit später zu meinem Hausarzt begleiten musste (er war zuvor ca. 20 Jahre nicht mehr beim Arzt). Mein Hausarzt sah sich das von der Amtsärztin gemachte Blutbild an und meinte sofort, dass dies KEINE Alkohol- sondern Hepatitis-Leberwerte seien. Kurzum - er hatte mit den o. g. Blut Hapatitis A, B und C Viren übertragen bekommen. A und B hat er damals überwunden - C ist jetzt ausgebrochen. Ich habe ihm dann auch noch ein Mittel gegen seine Darmschmerzen verschreiben lassen und ihn, als diese einigermassen erträglich wurden, am 03.08.2009 zur Darmspiegelung genötigt. Ergebnis: ein 6 cm großes Rektumkarzimom ca. 5 cm vom Darmausgang entfernt. Am 10.08. statinäre Aufnahme ins Krankenhaus mit CT und MRT. Ergebnis: 6-fach vergrößerte Lymphknoten um die Leber mit Verdacht, es seien Metastasen.
Am 13.08. operative Entfernung dieser Knoten und Untersuchung (Schnellschnitt)und Anlage eines künstlichen Darmausganges. Ergebnis: Lymphknoten nicht bösarzig, jedoch Chirurg ertastet eine Metastase an der Leber (0,8 cm), die mit einem großen Teil der Leber operativ entfernt wurde. Danach unzählige Untersuchungen, weil keine Erfahrungswerte existieren, inwieweit seine Leber Chemobehandlungen erträgt (Leber ist durch die Hepatitis entzündet und geschädigt). Er hat jetzt 28 Bestrahlungen und 2 jeweils einwöchige Chemobehandlungen erhalten und beides ausserordentlich gut vertragen. Am kommenden Montag muss er wieder ins Krankenhaus, wo ein CT des Tumors gemacht werden soll und die operative Entfernung ist am 17.11 geplant. Einerseits freue ich mich darüber,dass das "Ding" endlich raus kommt und er seine Enddarmschmerzen vielleicht los wird, andererseits hab ich totalen Bammel, weil er ausserdem, als wär das alles nicht schon genug, auch noch eine Blutgerinnungsstörung hat und er ganz schön traumatisiert und denk auch sehr überfordert ist.
Klingt wie eine Geschichte, die einer erzählt und jeder, der sie weiter verbreitet, tut ein bißchen was dazu, nicht?
Wünschte, dem wäre so....

glückskind

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Sonntag, 15. November 2009 - 09:04
hallo ratte,
wieder mal so eine Geschichte, wo man denkt, schlimmer gehts nimmer...
Es ist schon heftig, was manch einer alles ertragen muss. Ich wünsche Euch Beiden alle Kraft und Mut dieser Welt.
Ihr seit so lange zusammen und ihr werdet auch weiterhin den Weg gemeinsam gehen.
Von Herzen alles Liebe
glückskind

Riesterer

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Sonntag, 15. November 2009 - 11:43
*sprachlos*
wollte mich nur melden....
in Gedanken !
Manfred

ratte

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Mittwoch, 18. November 2009 - 09:10
Hallo zusammen,
also die für gestern geplante OP wurde auf heute verschoben - er müsste jetzt gerade dran sein. Da der Tumor ursprünglich nur 5 cm vom Darmausgang entfernt und auch bereits im Schließmuskel war, hat er sich kurz vor der OP dazu entschlossen, alles heraus nehmen zu lassen (zu Anfang stand für ihn die Rückverlegung des Ausgangs an allererster Stelle). Bei dem gestrigen Gespräch mit dem Chirurgen hat er sich klar dafür ausgesprochen, dass so operiert werden soll, dass er nicht in 1 Jahr wieder in der selben Situation ist wie jetzt, da er das alles (Bestrahlungen und Chemos) nicht noch einmal durchstehen könnte. Nun kommts:
der Artzt sagte, dass, falls bei einer Rückverlegung des Ausgangs, der Krebs zurück käme, er an derselben Stelle wieder auftreten würde, man aber in dem Fall keine, bzw. fast keine Möglichkeit zur Behandlung hätte. Eine nochmalige Bestrahlungstherapie an derselben Region ist nicht möglich, da die Strahlung im Körper sozusagen gespeichtert wird und die Schäden schon nach seiner überstandenen Behandlung immens seien. Auch eine operative Behandlung wäre aufgrund der bei den dann schon 2 Ops entstehenen inneren Narbenbildung sehr sehr schwierig. Bei diesen Aussichten ist das bleibende Stoma in jedem Fall das kleinere Übel. Ausserdem wird ihm noch ein Port gelegt (Venen nach der 2. Chemo schlimmstens!) und eventuell die Gallenblase entfernt - also ein Horrortag heute. Hoffe nur, dass er das alles gut übersteht...
834 posts
Mittwoch, 18. November 2009 - 11:20
Hallo Ratte,
das wird schon alles gut werden heute.
Das endständige Stoma hat mein Mann auch. Da lässt es sich leben.....es ist immerhin besser, als wenn das Schalentier wieder neu ausbricht. Bei uns konnte damals nicht im Gesunden operiert werden....zu viel gesundes Gewebe mußte entfernt werden, sodass auch die Möglichkeit der Rückverlegung nie bestand.
Auf die Galle kann man auch verzichten und den Port hat mein Mann von Anfang an.
Wichtig ist einzig, dass er die nötige Substanz vorweisen kann, also bei guten Kräften ist. Dann schafft Man(n) alles.
Eure ganze Vorgeschichte ist schon so unglaublich, dass dein Kämpfer das heute gut überstehen wird.
Du wirst bestimmt darüber berichten.
Bis dahin alle guten Wünsche für euch
Petra

ratte

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Mittwoch, 18. November 2009 - 21:54
Hallo,
danke erstmal für die aufmunternden und mitfühlenden Worte.
Die gute Nachricht zuerst: er hat es soweit ganz gut überstanden... war aber anstatt der gestern genannten ca. 3 Stunden insgesamt 6 Stunden im OP. Er kam um 9.00 Uhr dran und ich habe ab 12.00 Uhr alle 30 Minuten auf der Intensivstation angerufen. Um 15.30 kam der Rückruf des Arztes, dass er in ca. 15 Minuten auf die Station komme und alles so operiert wurde wie gestern besprochen. Ich habe ihn dann mit unserer gemeinsamen Tochter besucht und er war auch ansprechbar und für die Verhältnisse sehr klar. Er hatte keine Schmerzen (nur Muskelkater im Bauch) aber ganz schrecklichen Schüttelfrost. Er meinte, die wollten ihn schon schon unten im OP erfrieren lassen, dort sei es kälter als in Sibirien. War allerdings sogar für mich erschreckend, wieviel Schläuche in ihn reingehen bzw. aus ihm rauskommen - hab bei 12 aufgehört zu zählen, weil er es partout nicht wissen wollte. Das mit dem Port hat - Gott sei Dank - auch geklappt, denn in 2 - 4 Wochen stehen noch 4 Chemos an. Wenn er die dann hinter sich gebracht hat, muss die Hepatitis C in Angriff genommen werden, wobei die Behandlung nach Aussage des Hepatologen ncohmal zwischen 4 und 12 Monate geht und von den Nebenwirkungen der einer stärkeren Chemo nahe kommt. Mal schaun, wie sich das alles entwickelt, dann sehen wir weiter. Nach Aussage des Hepatoloten hätte sich die Virenlast der Hepatitis durch die Chemos explosionsartig vermehren sollen oder können - seine ging zurück! Wieso? Weiß nicht, aber Hauptsache es ist so. Bis dahin
Grüße R + K
834 posts
Mittwoch, 18. November 2009 - 22:17
ich freu mich so für euch, dass vorerst alles gut überstanden wurde.
Den nächsten Bericht erwartend, verbleiben wir mit besten Wünschen für die nächsten Tage
Petra & Fred

ratte

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Freitag, 20. November 2009 - 21:06
Hallo an euch alle,
wollte nur kurz mitteilen, dass er immer noch auf Intensiv liegt. Ihm fehlt der "Klebstoff", der die Thrombos miteinander verbindet und hat jetzt insgesamt 10 Blutkonserven bekommen. Sein Kommentar: na wenigstens kann ich mir "nur" das Aids-Virus einfangen. Gesundheitlich gehts ihm ganz gut aber er hat einen schlimmen seelischen Hänger (nach d e n 3 Monaten absolut verständlich). Im OP stand es am Anfang sehr kritisch, da er viel zu schnell viel zu viel Blut verloren hat. Das haben sie und er aber dann doch in den Griff bekommen und nach Aussage des Chirurgs konnte wahrscheinlich ins Gesunde operiert werden.
Der sagte vor 3 Monaten zu mir, dass er nicht mehr gesund werden würde - heute im Gespräch meinte er, man sollte die Selbstheilungskräfte eines Menschen niemals unterschätzen. (Seine Leberwerte sind im Normalbereich, CEA von 41 auf 4,4 nach letzter Chemo, jetzt bei 11,9 aktuell und CA 19-9 von 104 auf 62,9 gefallen). Hoffentlich entwickelt sich das alles so weiter...
Würde mich sehr freuen, wenn ihr mir mitteilen könntet, wie es euch (glückskind und Manfred) bzw. Deinem Mann (Petra und Fred) zur Zeit geht. Dass es noch Menschen gibt, die mit einem solchen Schicksal zu kämpfen haben und anderen Trost und Zuversicht aussprechen ist für mich sehr tröstlich
Wünsch Euch nur das Allerbeste und bis bald
K
834 posts
Freitag, 20. November 2009 - 21:41
Zitat:
nach Aussage des Chirurgs konnte wahrscheinlich ins Gesunde operiert werden.

Das ist doch so wunderbar zu lesen und das begründet jeden Tag zusätzlich auf der Intensiv......Prima, das sei euch so zu wünschen...eine OP ins Gesunde ist wie 5 Richtige im Lotto.
Zu deiner Frage:
Fred hat diese Woche seine 18.Chemo, alle 14 Tage, hinter sich gebracht und es geht ihm soweit sehr gut.....er hat nur keinen Bock mehr auf weitere Chemen, will einfach mal eine verdiente Auszeit, aber er ist seit Monaten ohne Schmerzmittel ausgekommen und da er ein absoluter Optimist ist, hilft uns das sehr viel weiter, um dem Kampf immer wieder neu Paroli bieten zu können.
Das muß auch euer Ziel sein und bleiben
Alles alles Gute
Petra & Fred

Riesterer

588 posts
Samstag, 21. November 2009 - 22:24
zu mir: ich bin am Montag morgen wieder mit Spiegelung dran - nach 3 Monaten.
Mal sehn, was es da zu sehen gibt...
Ich hoffe doch: NICHTS
Sag Bescheid, wenn er von der Intensiv runter ist...
Manfred

ratte

30 posts
Sonntag, 22. November 2009 - 19:24
Hallo zusammen,
wollte nur kurz mitteilen, dass er die Intensiv heute verlassen konnte. Er hat allerdings immer noch 3 Drainagen im Körper und aus 2 blutets noch ganz schön. Seelisch ist er leider gar nicht gut drauf und weint sehr viel, weil er unbedingt nach Hause will. Wundert mich eh, dass er die ganze Sache so lange ohne Seelenkoller ertragen konnte...
Manfred, Dir drück ich für Montag alles was ich habe und wünsch Dir viel Glück. Ich werd an Dich denken und das ist nicht nur so daher gesagt.
Hoffe bald wieder was von euch zu hören bis dahin
K

glückskind

294 posts
Montag, 23. November 2009 - 09:32
ach manno, das mit dem Seelenleid ist schon traurig, aber es gehört doch auch dazu und für manch einen ist es eine gute Therapie, alles zu verarbeiten und sich bald wieder besser zu fühlen. Auch Deinem Herzblatt hilft diese Phase bestimmt, um bald wieder die Freude am Leben zu spüren.
Seid mal ganz lieb gedrückt und bleibt weiterhin so tapfer, es geht aufwärts...
glückskind
834 posts
Montag, 23. November 2009 - 13:15
Hallo Kertin,
die 2 Worte:
HÖHEN und TIEFEN sind wohl die gebräuchlichsten in unserer momentanen Situation.....aber irgendwann werden die Höhen gewinnen. Bis dahin tapfer weitermachen.
@ Manfred,
hoffe auch bei dir ist alles gut verlaufen.
Bei uns ist es am 26. wieder soweit, CT und die Frage, ob Fred nach 10 Monaten seine erste 4-wöchentliche Chemopause genehmigt bekommt.
lg
Petra