JotKa

18 posts
Donnerstag, 19. August 2010 - 16:44
Hallo liebe Leute,
nach intensiver Suche bin ich auf dieses Forum gestoßen und möchte nun teilhaben, d.h. Fragen stellen und Hilfe erbitten.
Wenn ich kann, dann will ich aber auch gerne, wirklich gerne helfen.
Nun möchte ich mich aber erst vorstellen.
Ich bin 63 Jahre und lebe ganz oben im Norden Deutschlands.
Im Jahre 2008 begannen bei mir Darmprobleme, d.h. immer mal wieder Blutungen, die aber von der Art her keine „Krebsblutungen“ sein konnten.
Es wurde unangenehmer und meine Nächte wurden immer schlafloser wg. der Darmprobleme.
Eine Darmspiegelung im Mai 2009 brachte dann die Diagnose Dickdarmkrebs.
Einige Tage war ich wie von der Welt.
Ich, der doch immer gesund war, ich sollte Krebs haben? Nein, kann nicht sein, sagte ich mir.
Nach kurzer Zeit aber habe ich die Diagnose „angenommen“ und bin ins Krankenhaus gegangen.
Weitere Untersuchungen dort haben ergeben, dass der Krebs „wohl nicht“ gestreut hat.
Aber eins war klar: Etwa 30-40 cm es Colon mussten raus.
Nun kam eine Zeit, eine Zeit die ich einerseits als ganz schlimme Zeit, andrerseits aber auch als Zeit erlebter Zuwendung, menschlicher Nähe und professioneller ärztlicher Arbeit erleben konnte.
Meine Frau, meine ganze Familie und Freunde haben mir zur Seite gestanden – ohne dies hätte ich das nicht überstanden.
Was ist nicht alles passiert: Insgesamt vier Operationen in kurzer Zeit nacheinander.
Direkt nach der ersten OP, nur einen Tag später, musste eine zweite OP erfolgen. Lange musste ich auf der Intensivstation bleiben, ein schweres septisches Krankheitsbild, eine Pneumonie, eine starke Wundheilungsstörung und dann noch eine Wundinfektion.
Ich habe tagelang so zwischen den Extremen gelegen: Leben oder Tod.
Einen Intensivpfleger habe ich gebeten, mir meinen Lieblingschoral aufzulegen.
Ich glaube er hat es gemacht, oder….ich bildete es mir nur ein.
Egal, ich habe den Choral „gehört“ und es hat mir so unendlich gut getan und geholfen.
Es wurde erforderlich, dass ich einen Stoma-Ausgang bekam.
(Das war in der Vorbereitungsphase, in meinen Gedanken vor der OP der absolute GAU.
Auch und gerade deswegen, weil meine Mutter damit lange sehr problematisch leben musste. )
Wie glücklich war ich, als ich von Intensiv auf die Normalstation kam, trotz Beutel.
Wie liebevoll sind dort die Schwestern, die Pfleger, die Pflegehelfer und auch die Ärzte mit mir umgegangen.
Eine Ärztin, die viele Jahre jünger ist als ich, nahm mich in den Arm und ich konnte mich in einer schlimmem Phase (als ich wieder für eine OP unterschreiben musste) dort ausweinen.
Schwestern haben sich an mein Bett gesetzt und hatten Zeit für mich.
Wenn in der Anfangsphase wieder einmal der Beutel Probleme bereitete und alles ins Bett ging, dann haben mich die Schwestern getröstet und mir geholfen dies nicht mit Scham und Schande zu sehen.
Die Abteilungsärztin, meine operierende Ärztin, der stellv. Chefarzt – alle hatten Zeit für mich und haben mir Mut gemacht und mich aufgebaut.
Meine Frau kam fast jeden Tag (ich wohne knapp 40 km von der Klinik entfernt) zu Besuch und hat mir unendlich viel Kraft geben können.
Was war ich glücklich als ich wieder alleine ans Waschbecken durfte, rechts und links eine Schwesternschülerin zur Stütze.
Und als mein Physiotherapeut mir sagte, dass ich ab dem Folgetag einige Schritte laufen dürfte (zwar am Gehwagen), da sah ich mich schon wieder bald in unserem Haus.
Leider aber ging es doch nicht so schnell: Neue Komplikationen, neue Entzündungen – es wurden mehr als sieben Wochen im Krankenhaus.
Gestern auf den Tag genau vor einem Jahr wurde ich entlassen und konnte mich zuhause wieder ins fast normale Leben zurückfinden.
Nun möchte ich den ersten Teil beenden. Der zweite Teil wird bald folgen.
Es gibt zu erzählen von den Problemen mit dem Stoma-Beutel, von einem sich lange haltendem Abszess und von den glücklichen Momenten der kleinen Schritte nach vorne.
Ich möchte auch Mut machen, Mut für die Menschen die eine OP vor sich haben und Mut für die, die ein Familienmitglied oder einen Freund/Freundin begleiten dürfen.
Mein Leben hat sich fundamental verändert.
Ich glaube, ich habe den Wert des kleinen Glückes erst sehr spät erkannt.
Jedenfalls: Nicht zu spät.
Alles Gute für Euch und vielen Dank das Ihr Euch Zeit genommen habt meinen Beitrag zu lesen.
Tschüß
Jürgen

rob31

62 posts
Donnerstag, 19. August 2010 - 19:30
Hallo Jürgen,
leider hattest Du nichts zu Deinem Staging und zum aktuellen Gesundheitszustand geschrieben. Ich denke, Du wirst in diesem Forum (u.a. mich) die ebenfalls einen harten Weg hinter sich haben und noch unterwegs sind, mit denen Du dich austauschen kannst.
VG
Gast
Donnerstag, 19. August 2010 - 20:37
Hallo Jürgen,
Du wirst hier im Forum viele Betroffene und auch Angehörige finden, die sich mit Dir austauschen.
Ich bin Angehörige, die bereits einen "verloren" hat an dieser sch... Erkrankung und den zweiten im Kampf unterstützt.
Mein Mann und ich haben durch die Krebserkrankungen (3 Verschiedene) gelernt zu leben. Nicht wie Du jetzt denken wirst im "Saus und Braus" sondern jeder Tag wird gelebt.
So kann man sich gegenseitig sehr motivieren und im Kampf stärken.
Wir sind heute Nachmittag einfach für ein paar Stunden in der Heide gewesen und haben versucht Pilze zu finden. Es waren einige da, die zum Wochenende zum Braten kommen.
Meinem Mann hat das Laufen im weichen Boden sehr gut getan.
Aber auch die Luft und die Entspannung zeigen Wirkung.
Das sind so spontane Entscheidungen entsprechend dem Gesundheitszustand, die ich "Leben" nenne.
Bei meiner Mutti bin ich auch täglich im KH gewesen. Bei ihr hatte der Krebs extrem gesteut und es wurde von Chemo und allen anderen abgeraten.
Bis zum letzten Tag habe ich versucht meiner Mutti zur Seite zu stehen.
Viele liebe Grüße
Anna-Christine

PeterErnst1977

499 posts
Donnerstag, 19. August 2010 - 22:15
Hallo Jürgen,
hier im Forum bist Du genau richtig. Ich habe im Laufe der Zeit viel Respekt vor den Leidensgenossen entwickelt und habe mich immer sehr wohl und verstanden gefühlt.
Gestern ist es dann passiert: Das Aufeinandertreffen von Rob31, Puffy, Riesterer und mir. Boar, was haben wir gelacht. Wenn ein Fremder am Tisch gesessen hätte, hätte er bei den lebenslustigen Menschen niemals erraten, welche Gemeinsamkeit wird haben.
Aber darum geht es: Sich unterstützen, einander zuhören, auch mal zusammen lachen und auch mal aufbauen.
Herzlich Willkommen, Jürgen !