PeterErnst1977

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Samstag, 16. Oktober 2010 - 14:14
„Sie haben Krebs !“

Ich kann mich noch genau an diese Worte erinnern, die ich am 21.07.2009 gesagt bekam. Die aufmunternden Worte „Der Krebs hat aber nicht gestreut !“ habe ich gar nicht wahrgenommen.
Drei Worte, die das Leben für immer verändern. Nicht nur das eigene, sondern auch das der Angehörigen und Freunde.
Nach der Diagnose beginnt unmittelbar ein langer Prozess. Ein Prozess, bei dem jeder selbst für sich entscheidet, wie er mit der Krankheit umgeht.
Heute, 15 Monate nach der Diagnose bin ich immer noch tumorfrei. Die Erinnerungen an die Chemo und ihre Nebenwirkungen verblassen langsam. Einzig die Narbe auf meinem Bauch erinnert mich täglich an das, was mir geschehen ist. Das wird auch so bleiben.
Wenn ich heute jedoch über meine Narbe streichel, muss ich feststellen, dass, und nun haltet Euch fest, der Krebs das Beste war, was mir jemals passiert ist. Ich bin glücklicher als früher und weiss das Leben mehr zu schätzen. Der Lebensdruck ist raus, ich mach nur noch das, worauf ich Bock habe. Ich kann mich über Kleinigkeiten freuen und habe meine Prioriätenliste neu sortiert. Die Beziehung zu meiner Lebensgefährtin ist enger geworden.
Ich denke, dass man nach der Diagnosestellungen an einer T-Kreuzung steht. Man kann nur nach rechts oder links gehen.
Links heisst, Mitleid erhaschen wollen, innerlich in Selbstmitleid verfallen, aufgeben, das eigene Überleben als Heldentat nach außen darstellen. Hier dient die Krankheit als Legitimation, „jedem auf die Füsse zu scheissen, ohne Konsequenzen zu fürchten“.
Oder aber rechts: Das eigene Überleben als Glück zu empfinden und jeden Tag geniessen, Mut und Hoffnung schöpfen, und die Dinge so nehmen wie sie sind, auch wenn Dinge manchmal nicht abwendbar sind.
Jeder hat die Wahl: rechts oder links
Ich bin Daggy nach rechts gefolgt. Danke, dass Du mir den Weg gezeigt hast, auch wenn ich ihn weiter gehen darf, als es Dir vergönnt war.
Ein stiller letzter Gruß an unseren Teddybär
Gast
Samstag, 16. Oktober 2010 - 15:10
... wunderbare Worte, die es auf den Punkt bringen
Ein stiller Mitleser

annachristine

307 posts
Samstag, 16. Oktober 2010 - 15:23
Hallo,
Meinem Mann ging es ähnlich am 01.03.2007: "sie haben Krebs, aber gut, daß sie hier sind und wir sofort etwas machen können. Erst einmal 3 Blutkonserven und dann die Chemo. Da gibt es gerade eine Med-Studie, da passen sie hinein. Hier müssen sie unterschreiben." Nach der ersten Mitteilung einriesiges Loch für meinen Mann. Er war völlig zerstört. Tränen ohne ende. Dann merkte er, nach der ersten Blutkonserve es geht ihm besser, man kann wieder Bäume ausreißen. Der Überlebenswille ist da und das Kämpfen.
Nach der Chemo sagte und dann die Ärztin: "Nur gut, daß sie im März gekommen sind; 4 Wochen später wäre keine Hilfe mehr möglich gewesen."
Für meinen Mann wurde daraus dann: Ich habe Krebs : Blutkrebs; Eigendlich sollte ich schon tod sein, aber ich lebe noch.
Die Wegkreuzung haben wir auch genommen. Das eigene Überleben als Glück zu empfinden und jeden Tag seit dem zu geniesen.
Seit ich nicht mehr arbeite ist dieses geniesen für uns beide nochmals etwas anders geworden. Wir leben seitdem (1.3.07) anders.
Auch wenn der Krebs nicht weg ist, durch die Chemo nur zurück gedrängt wurde, und der Krebs mit neuen Arten wieder da war, aber durch die ständigen Kontrollen, im gesunden Gewebe entfernt werden konnte, so lassen wir uns nicht unterkriegen.
Auch nicht von Leuten, die dann sagen: so schlimm war der Krebs doch nicht; er lebt ja noch. Diesen haben wir die Freundschaft gekündigt, denn solche Freunde braucht man nicht.
Vor über einem Jahr habe ich mich hier angemeldet, als bei meiner Mutti der Darmkrebs festgestellt wurde. So lange ich sie hatte mit der Krankheit, habe ich mit ihr auch gelebt und ihr sie Zeit so schön wie möglich gemacht. Ich mußte meinen Kampf für beide aufbringen. Das war nicht leicht für mich. Aber aufgeben gilt nicht; auch nicht mit Rückschlägen.
Jetzt wird wieder nur für meinen Mann gekämpft.
Ich möchte alle betroffene Angehörige nur dazu ermuntern, wie PeterErnst, denn Weg des Überlebens gemeinsam zu wählen, jeden Tag neu zu leben, Dinge machen, die man für "Verrückt hält" zu unternehmen. Es ist ein schöner Weg, den man so geht.
Dagmar hatte auch diesen Weg mit ihrem Partner gewählt. Sie hat einige Zeit "herausgeschlagen". Diese Zeit ohne Schmerzen wird bei den Angehörigen als feste Erinnerung bleiben.
Ein stiller Gruß an unseren kleinen Teddybär.
Anna-Christine

PeterErnst1977

499 posts
Samstag, 16. Oktober 2010 - 15:57
zum Thema verrückte Dinge:
Ich sehe, vielleicht auch berufsbedingt, sehr seriös aus. Man würde mir nie anmerken, dass ich ein Schalk im Nacken habe. Das nutze ich scharmlos aus.
Zum Beispiel bestehe ich bei jeder Veranstaltung am Einlass auf intensives Abtasten (mit dem Hinweis, dass ich kitzelig bin) und fordere dies auch lautstark ein, da man mich meist ohne durchlassen möchte. Aber nicht mit mir !
Andrea nennt das dann immer "fremdschämen". Ich findes es lustig (und die Leute um mich rum auch).

kerstin 72

31 posts
Samstag, 16. Oktober 2010 - 16:59
@PeterErnst1977 und annachristine:
Ihr habt sowas von Recht mit euren schönen Worten.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!!!!
Gruß Kerstin

JotKa

18 posts
Samstag, 16. Oktober 2010 - 18:05
Ihr lieben Mitmenschen,
denkt mal mit mir darüber nach, bitte:
Stimmt es denn nicht auf den Punkt genau was PeterErnst1977 da scheibt:
Wir gehen rechts - d.h. doch: Wir gehen, wir wollen und werden den "rechten", den richtigen Weg gehen!!
Wenn es eine bleibende Botschaft für uns alle - und die um uns herum Betroffenen - gibt dann die, die uns Teddybär so unendlich kraftvoll gezeigt hat.
Ich konnte Teddybär nicht näher kennenlernen, aber durch das Lesen hier bin ich ihr doch näher gekommen.
Auch ich zünde nun eine gedankliche Kerze an und gehe auf dem Weg rechts auf einem rechten/einem richtigen Weg.
Liebe Grüße, Kraft und Zuversicht
wünscht tief in Gedanken
Jürgen