Gast
Montag, 14. Oktober 2013 - 09:03

Hallo,

ich bin neu hier und wende mich an Euch, weil ich einfach nicht mehr weiter weiß.

Vor gut 2 Jahren haben wir die Nachricht bekommen, dass mein Lebensgefährte (Anfang 30) an einem Rektum Karziom erkrankt ist. Nach Bestrahlung, Chemo, OP mit Anlegung eines Stomas -anschließend nochmal Chemo und letzlich Rückverlegung des Stomas im letzten Jahr läuft es momentan alles sehr gut und bei den Nachsorgeuntersuchungen bisher gott sei dank kein Rückfall.

Das Problem ist nur - nichts ist so wie bisher.

Wir haben eine kleine Tochter die damals noch nicht mal ganz 2 war, als das alles passierte. Ich weiß dass es für Ihn eine harte Zeit war und teilweise auch noch ist, aber ebenso schlimm und anstrengend wars auch für unsere Tochter und mich. Während der Chemo war er immer so gereizt teilweise auch richtig böse, ich könnte nichts recht machen, er war oft müde und ich war mit unserer kleinen ganz allein. Als er dann das Stoma bekam ging er nicht mehr unter die Leute. Hat den Kontakt zu unseren Freunden fast abgebrochen und sich zurückgezogen. Er hat mir immer versprochen, wenn das Stoma weg ist geht er wieder mit und wir unternehmen wieder mehr. Jetzt ist seit einem Jahr das Stoma weg aber geändert hat sich nicht wirklich viel. Abends will er nicht weggehen, weil er kein Bier mehr verträgt und er den anderen nicht beim feiern zu sehen will. Und wenn wir was mit essen ausmachen und anschließend noch was anderes machen wollen stellt er auch gleich auf stur, weil er dann vielleicht keine Toilette hat, wenn er muss. Obwohl er es Ihm soweit eigentlich damit ganz gut geht. Manchmal ist es besser und manchmal schlechter. Wenn ich dann sage er soll selber fahren, damit er eher heimfahren kann wenns Ihm nicht gut geht will er das auch nicht, und wenn wir (unsere Tochter und ich) mit unseren Freunden was unternehmen und er zuhause sitzt weil er nicht mit will ist er auch grantig und es kommt wieder zum streit. Wenn ich alleine weggehe weil er nicht mit will heißt es immer ich gehe andauernd weg und er muss auf die kleine aufpassen (ich bin aber nur 1x in der Woche 45 min im Sport und dann vielleicht alle 2 Wochen mal noch weg, wenn überhaupt). Er hat selber keine Hobbies, hab ihm schon so oft gesagt er soll sich was suchen. Er macht einen Sport, er meint er ist in der Arbeit schon körperlich genug ausgelastet, da braucht er keinen Sport mehr zu machen. Ich hab ihm schon so oft gesagt, er soll sich aufschreiben was er isst, dass er weiß was er verträgt, was nicht. Soll was für die Darmflora tun, oder mal zur Heilpraktikerin gehen. Er raucht auch immer noch was mich sehr stört. Aber er lässt sich nicht helfen. War jetzt 3 Wochen auf Mutter - Kind - Kur und hab Ihm nen Brief geschrieben mit allem was mich bedrückt und dass er sich mal gedanken machen soll, aber es hat sich nichts geändert. Wir wünschen uns auch noch ein 2. Kind, aber irgendwie ist alles so anders wie vorher. Wenn wir dann wieder aneinander geraten droht er dann wieder damit dass ersich umbringtweil er eh immer der Arsch ist der allein daheim sitzt (und das auch in Gegenwart unserer Tochter). Dass wenn er sich immer so aufregen muss der Krebs ganz bestimmt wieder kommt. Was soll ich denn machen? Ich will doch auch nur mein Leben genießen, vorallen jetzt wo ich gesehen hab, wie schnell was passieren kann. Ich war immer für Ihn da , die ganze Zeit. Früher hat er immer so viel gearbeitet und war bis mitten in der Nacht weg und ich bin alleine daheim gesessen. Ich hab mich auch nie beschwert, dass er so viel gearbeitet hat und nicht so viel Zeit für uns hatte. Ich will doch auch nur das beste für Ihn und dass er auch sein Leben genießen kann. Klar bin ich wahrscheinlich auch nicht immer einfach da gehören immer 2 dazu, aber ich bin halt so dass ich viel unternehmen will und nicht immer daheim sitzen.

Ich will jetzt nicht nur über Ihn schimpfen. Wir waren heuer das erste mal zusammen im Urlaub (nach 15 JahrenPartnerschaft) und er hat mir auch mehrere materielle Wünsche erfüllt, er sagt mir auch immer dass er mich liebt und froh ist dass er mich hat und hilft mir auch im Haushalt.

Aber solche Situationen wenn wir dann alleine fahren machen mich psychisch echt fertig. Ich hab dann immer ein schlechtes Gewissen, weil wir Spass haben und er nicht und ich auch zuhause bleiben sollen hätte. Und wenn ich dann sage ich will auch mal wieder unsere Freunde sehen, sagt er immer ja du - ich hab keine Freunde mehr.....

Immer sind die anderen schlecht und haben kein Verständnis für Ihn, obwohls nicht stimmt. Sie haben lange versucht auf Ihn zuzugehen, aber sie haben dann immer ne abfuhr bekommen und es halt dann irgendwann aufgegeben.

Ich hab auch schon gesagt, er soll sich psychologisch hilfe holen, aber das will er alles nicht.

Ich bin echt verzweifelt, weil ich eigentlich nicht vorhabe ihn zu verlassen, aber es macht mich psychisch einfach echt fertig.

Wie ging es Euch in der Partnerschaft? Habt Ihr Tipps?

Danke

Gast
Montag, 14. Oktober 2013 - 10:34

Hallo,
Natürlich ist die Diagnose Rektumkarzinom ein massiver Einschnitt. Und natürlich sind die körperlichen Beeinträchtigungen, unter denen Dein Mann leidet, unerfreulich. Aber, sie sind als Erkrankungsfolge bekannt, gängig, normal. Man kann sie etwas steuern, die Zeit kann, wie gesagt "kann", helfen. Spontan irgendwo sich hinsetzen, essen, trinken, wie es einem gefällt, ist nicht so einfach, geht häufig auch nicht. Persönlich beispielsweise muss ich mich auf solche Events genau vorbereiten, dass erhöht dann die Wahrscheinlichkeit, dass es gut geht. Mit der Zeit bekommt man raus, was geht und was nicht geht, und manchmal geht es auch schief. Ist halt so. Wenn die Umgebung das weiß, wundert sich keiner, wird so akzeptiert. Im Gegenteil, man findet es gut, dass man dennoch, wenn auch mit gebremstem Schaum, am Leben teilnimmt.
Ich glaube, dass hier das Problem, das Du beschreibst, eher ein seelisches ist. Alles hört sich bei Deinem Mann danach an, dass er mit den Erkrankungsfolgen, mit seiner Frustration und!! mit seiner Angst nicht klar kommt.Du bekommst dann den Wind ab, das schaukelt sich irgendwann hoch, ihr beide geratet wieder etwas tiefer in das seelische Tal. Ein Gespräch am Mittagstisch darüber bringt es nicht. Der Brief ist ein guter Versuch, aber so ein Einzelakt ist in der Regel auch zu wenig. Dafür ist das wohl schon zu zementiert. Wenn einer schon mit Selbstmord droht ...Und auch vor der Erkrankung scheinst Du nicht nur zufrieden gewesen sein, vermute ich mal vorsichtig.
Ich sehe hier keine andere Möglichkeit als die der professionellen Hilfe. Die gibt es. Problem ist wahrscheinlich, dass Dein Mann von den Psychos nichts hält und der Meinung ist, die würden nur quasseln, leiden dagegen müsse er. Aber es gibt niedrigschwelligere Angebote - Vorträge zum Beispiel, und Du solltest klar machen, dass Du nach Auswegen suchst, auf denen er Dich begleiten soll. Anders geht es nicht wohl nicht mehr. Wenn Du die Region angibst, in der Du wohnst, dann haben wahrscheinlich Forumsteilnehmer Adressen vorrätig. Im Krankenhaus, in dem Dein Mann operiert worden ist, wird man Dir sicherlich auch mit Hinweisen zu Psychoonkologen helfen können.

Alles Gute
vantast

sigi55

80 posts
Montag, 14. Oktober 2013 - 13:01

Hallo Thekla,

ich kann mich den Worten von Vantast nur anschließen.

Ein weiterer Vorschlag wäre eine Reha-Maßnahme in einer renommierten Klinik. Aber dazu müsste er auch bereit sein. Mir hat es nach Abschluss meiner Krebsbehandlung jedenfalls sehr gut getan etwas für mich zu tun, interessante Vorträge zu hören, mich mit Menschen mit ähnlichem Schicksal austauschen zu können, usw. Auch kann man dort eine psychologische Betreuung in Anspruch nehmen.

LG

Sigi

maincoon10

647 posts
Montag, 14. Oktober 2013 - 14:22

hallo,

ich schliesse mich dem ganzen an... vielleicht hilft aber auch schon ein buch über "lebensfreude" nach einer krebserkrankung zurückzugewinnen? oder selbsthilfegruppen, sportangebote, psychologen?

Aber trotz allem, er muss selbst aktiv werden - er muss die veränderung wollen. versuch ihm vielleicht klar zu machen, dass es so einfach auch nicht weitergeht.. oder willst du so weiterleben?

ich hab seit 3,5 jahren krebs, x metastasen, chemos und wieder eine metastase.. mittlerweile ein stoma - ich denke mir - das ist mein leben - ich weiss nicht wie lange es dauert.. aber ich will es leben und geniessen und spass haben... und trotz stoma, bin ich grad 200 km jakobsweg gegangen - ja in manchen momenten war mir wegen des stomas zum heulen zu mute.. aber ich hab es geschafft und es war unglaublich toll, trotz stoma und vielleicht auch wegen dem stoma.. es ist unglaublich zu was der mensch fähig ist.

genauso etwas wünsche ich deinem mann auch. und wegen der unvorhersehbarkeit.. also es gibt da kohle-tabletten, immodium und co, tinctura opii, flohsamenschalen - und wenn man dann noch die 3 lebensmittel meidet, die man wirklich nicht verträgt, die einem sofort rennen lassen.. steht doch weggehen nichts im wege..

was auch ev. helfen könnte, sicherheit zu gewinnen - wäre ein beckenbodentraining. (könnte ich mir zumindest vorstellen).

Reha finde ich eine gute Idee... z.B. eine Klinik in der auch die Darmerkrankungen behandelt werden (wenn man sich mal mit den Morbus Crohn Leuten oder den Colitis Patienten unterhält, merkt man relativ schnell, dass es einem trotz Krebs doch ziemlich gut geht.. oder dass es einigen genauso geht wie einem selbst und das Ganzve verliert den Tabu-Charakter.

nur vom auf der couch sitzen ändert sich nichts... er muss selbst aktiv werden, wenn er eine veränderung möchte.

alles gute für euch, ich wünsche dass ihr eine lösung findet und es euch beiden noch lange gut geht.
lg andrea

Gast
Montag, 14. Oktober 2013 - 14:42

Thekla,

lass uns mal offen reden.

Krebs verändert. Ja, das ist so.

Vor allem während der Chemo fühlt man sich oftmals gereizt und ist nicht besonders nett zu seinen Mitmenschen (frag mal meine Frau...)

Krebs ist eine schlimme Krankheit.

Aber: Krebs gibt niemanden die Erlaubnis, seine Mitmenschen ständig derart zu behandeln, wie Du es schilderst.

Darum würde ich Deinem Partner ein Ultimatum setzen und ihm genau 2 Alternative nennen.

Manchmal muss man auch an sich denken und nicht nur an andere...