Woolmark

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Dienstag, 14. Juni 2016 - 14:15

Hallo

ich habe mich hier angemeldet, nachdem ich schon oft hier mitgelesen habe.

Nun habe ich das Gefühl, selbst einen Rat zu brauchen...

Meine Mutter ist seit vielen Jahren (fast 10) krank und seitdem versuchen meine ältere Schwester und ich ihr auch zur Seite zu stehen. Meine Schwester ist seit näher dran, und ich lebe derzeit ca. 250 km entfernt. 2011 gab es bei meiner Mutter die Diagnose Darmkrebs, sie wurde operiert, und bestrahlt und dann als geheilt entlassen.

2013 gab es dann ein Rezidiv, eine erneute OP, aber man konnte nicht mehr alles entfernen und seit einer aggressiven Chemo in 2014 ist sie auch bettlägrig. Nun macht sie seit einigen Wochen eine Misteltherapie, von welcher wir noch nicht genau wissen, wie es anschlagen wird. Meine Mutter hat auch Metastasen in der Lunge und neu auch der Leber.

2013 haben uns die Ärzte gesagt, sie hat noch ein paar Monate, 2014 haben wir uns schon von ihr verabschiedet, da es ihr extrem schlecht ging. Jetzt ist die Situation so, dass sie seit einigen Monaten (vll schon 1 Jahr), körperlich auch sehr abgebaut hat, keinen grossen Appetit hat etc. Sie trinkt viel udn versucht zu essen, aber grundsätzlich ist es zu wenig. Sie ist noch immer daran, dass sie wieder fitter werden will, aber ich glaube, sie weiss auch immer mehr, dass es ein aussichtloser Kampf ist und ich weiss auch nicht, ob sie noch so richtig will. Sie will nicht gehen, sie will uns nicht verlassen, aber eben, ihre Situation ist natürlich auch eine, die es nicht gerade einfach macht.

Ich fahre seit 2 Jahren mind 1. Mal die Woche zu ihr, davor war es etwas weniger. Im letzten Jahr war ich ein halbes Jahr im Ausland, aus beruflichen und persönlichen Gründen. Ich habe mir die Entscheidung damals nicht leicht gemacht und bin auch mit dem Gedanken gegangen, dass es vielleicht das Ende sein könnte. Ich war in dieser Zeit einmal zuhause bei meiner Mutter.

Ich habe einen Partner im Ausland und auch ein Jobangebot, welches ich eigentlich im Herbst antreten sollte. Eigenltich hätte der JOb auch schon früher beginnen sollen, aber ich habe es etwas nach hinten verschoben. All das ist seit Monaten Thema zwischen meiner Mutter und mir und sie hat mir wiederholt gesagt, dass ich es machen soll. Und wir haben usn darauf geeinigt, dass ich alle 4 - 6 Wochen zu ihr komme, um sie zu besuchen. Ihr Partner ist täglich bei ihr und meine Schwester auch ca. 1 Mal die Woche.

Da eigentlich alles auf diesen Wegzug ins Ausland hindeutet, ist hier im Moment alles auf HOLD, ich bin in einer sehr ansgespannten Lage, finanziell und emotional. Und noch weiss ich auch nicht, ob das im Herbst wirklich klappt. Aus diesem Grund, um das mit dem Job fix zu klären und um meinen Partner zu sehen, hatte ich im Juli eine Reise geplant, 4 Wochen. Es ist möglich, dass dies für längere Zeit die einzige Zeit ist um ihn länger als ein paar Tage zu sehen.

Ich sehe aber auch, dass es meiner Mutter nicht gut geht. Sie ist zwar auf einem halbwegs stabilem Niveau, aber dieses Niveau ist eben niedrig. Ich habe sie gestern konkret gefragt, ob ich da bleiben soll und sie meinte nein, ich solle gehen (und nicht wieder von vorne anfangen) und wenn ich da bleiben würde, würde sie sich auch schuldig fühlen.

Und insgesamt meinte sie, diese ganze Sache mit dem Ausland hätten wir doch zu Genüge besprochen und gemeinsam so entschieden. Ich habe mir dann gedacht, wenn der Zustand so bleibt, fliege ich, wenn es schlechter wird, bleibe ich. Wenn ich weg bin und es wird schlechter, komme ich zurück. Es ist aber ein 8h-Flug, also ich käme zurück, wäre aber nicht sofort da. Wenn ich hier bleiben würde, wäre ich - ja nachdem wann ein Anruf käme - natürlich schneller bei ihr.

Ich habe keine Diagnose und ich weiss es nicht, wir haben uns hier schon mal getäuscht, aber irgendwie denke ich, dass dies nun eher die letzten Monate meiner Mutter sein werden. Ihr Partner will das gar nicht wahrhaben, meine Schwester rechnet schon lange damit. Ich habe in den letzten Monaten sehr schöne und innige Momente mit meiner Mutter gehabt und ich habe das Gefühl, dass wir uns schon verabschieden. Ich glaube, wenn sie nun gehen würde, wären wir im "Reinen". Aber ich habe auch unglaublich Angst vor der kommenden Zeit. Ich möchte für sie da sein, weiss aber nicht, ob ich die Kraft habe.

Und da kommt wieder dieser "Urlaub" ins Spiel. Wir haben uns seit Feburar nicht mehr richtig gesehen, nur einmal kurz.Mein Partner gibt mir unglaublich viel Kraft, durch Skype, aber eben v.a. wenn wir uns sehen. Ich fühle mich besser, vergesse auch mal, lache. Hier bin ich im Moment das Gegenteil. Ich gehe nicht raus, weine täglich....ich bin emotional wirklich sehr am Ende. Und er kann leider nicht für längere Zeit hier her kommen.

Meine Mutter sagt, ich solle gehen, weil sie mich liebt, weil sie Mama ist, weil sie will dass es mir gut geht. Aber natürlich wäre es ihr am liebsten, wenn ich bei ihr wäre, am liebsten noch mehr als ich es jetzt bin.

Ich weiss nicht, ob ich es bereuen würde, weggefahren zu sein. Ich weiss, dass ich nicht bereut habe, das halbe Jahr letztes Jahr weg gewesen zu sein. Ich habe es gebraucht. Ob ich die Zeit geniessen würde? Ja, ich denke es. Ich weiss, dass es mir im letzten Jahr gut ging und ich denke/erwarte, dass es wieder so wäre.

Ich weiss, dass meine Mutter mich vermissen wird, ich weiss, sie wird nicht denken, dass ich sie im Stich lasse, aber sie wird mich vermissen. Sie sagt auch so Sachen wie, Sterben muss man alleine etc. Aber andererseits hätte sie am liebsten rund um die Uhr jemanden von uns um sich. Das ist aber etwas, was schon lange so ist und was wir auch nicht bewerkstelligen können.

Ich wäre froh, um eure Meinungen respektive eure Erfahrungen. Mir geht es nicht um Absolution, die habe ich im Grunde ja schon von meiner Mutter bekommen. Und ich weiss, dass es letztlich meine Entscheidung ist. Was ich nicht weiss, ist, ob diese Zerrissenheit und auch diese starken Selbstvorwürfe normal sind. GIbt es Richtig und Falsch, wie findet man diesen Weg? Ich habe oft gelesen, man solle auf seinen Bauch hören. Aber das ist eben so schwer. Wenn ich das klar wüsste, dann hätte ich ja kein Problem. Ich würde unglaublich gerne meinen Freund sehen, Zeit mit ihm verbingen, etwas auftanken.

Und ich würde unglaublich gerne für meine Mutter da sein, bei ihr sein, wenn es Zeit ist. Ob ich das können werde, steht in den Sternen, da ich nicht weiss, wann es soweit sein wird. Ich glaube nicht, dass dieses sich überschneidet, dann würde ich nicht gehen. Aber man weiss nie, was passieren wird.

Und ja, tatsächlich habe ich auch Angst, Vorwürfe aus meiner Familie zu bekommen. DU warst nicht da!


Mir ist vollkommen bewusst, dass sich das Ganze sehr egoistisch anhört, da auch das Wort ICH sehr oft vorkommt. Ich vertraue aber darauf, dass ihr hier in diesem Forum verstehen und fühlen könnt, wie sehr ich meine Mutter liebe, wie sehr ich mir wünsche, ihr ihr Leid abnehmen zu können, wie sehr es mir das Herz zerreisst, zu wissen und zu sehen, dass es ihr schlecht geht und zu wissen, dass sie uns noch nicht verlassen will und dennoch verlassen muss.

Ich habe grosse Angst vor der kommenden Zeit und bin im Momemt auch nicht strak genug, das zu verbergen. Ich habe teilweise hier gelesen, dass manche nicht vor ihren kranken Angehörigen weinen. Respekt, ich schaffe das nicht.

Entschuldigt diesen langen Beitrag. Wenn mir hier der ein oder andere seine Erfahrungen und Weissheiten schildern möchte, wäre ich euch sehr dankbar.

Chicana

413 posts
Dienstag, 14. Juni 2016 - 19:33

Hallo

Nachdem ich Deinen Bericht gelesen habe, denke ich, dass Deine Mutter ein sehr kluge Frau ist und Dich liebt. Sie will, dass Du Dein Leben lebst. Sie ist seit 10 Jahren krank und da macht man sich schon seine Gedanken über den Tod, das wird ihr nicht fremd sein. Aber Du kannst nicht 24 Stunden neben ihr sein und niemand weiss, wann er kommt. Du musst nur mal in ein anderes Zimmer gehen und ..... vorbei.

Mein Mann hatte zeitgleich mit mir unheilbarern Lungenkrebs und ich habe ihn bis auf die letzten 4 Tage zuhause gepflegt. Als er ins Krankenhaus kam, wussten ich das es soweit ist und wollte unbedingt da sein. An diesem Abend kam der Arzt und fragte mich, ob ich nicht einmal einen Kaffee trinken wolle? Ich fragte ihn erstaunt warum? Da sagte er mir, dass es Menschen gäbe, die nicht loslassen können, wenn ihre Liebsten da sind. Ich verstand es nicht, folgte aber seinem Rat und wollte in die Cafeteria. Nur ich kam nicht einmal bis dahin und das Telefon klingelte. Es war vorbei.

Folge einfach Deinem Herzen und rufe sie jeden Tag zu einer bestimmten Zeit an, so bist Du ihr nahe. Viel Kraft und Zuversicht wünscht Dir

Chicana

Sandi36 / Ilse

26 posts
Freitag, 17. Juni 2016 - 13:41

Ich schließe mich den Worten von Chicana an. Wem hilfst du ? wenn du zu Hause sitz und weinst. Deiner Mutter , Familie ? nein deine Mama weiß das du unglücklich bist und das möchte keine Mutter für sein Kind. Vielleicht solltet ihr sie wirklich loslassen. Kenne ich von meiner Mutter auch. Bin immer von Bremen nach Berlin gefahren um sie zu besuchen und gestorben ist sie als ich ihr gesagt habe , Mama wenn du gehen willst geh. Wir haben ein Glas Sekt getrunken , dann hat sie mit einem lächeln die Augen geschlossen und ist eingeschlafen. Allerdings war sie 83 Jahre damals. Das ist schon 20 Jahre her und ich war ein Nachkömmling ein richtiges Mama Kind. Bin bis heute glücklich , dass ich nicht geklammert habe. Man kan die Krankheit anderer nicht Leben. Also auf , auf und das eigene Leben in die Hand nehmen. Sie ist gut betreut und es gibt Skyp oder Tel. Internet usw...

Wie schon geschrieben habe lebe ich das gerade anders herrum. Ich weiß nicht ob meine Tochter Weihnachten noch unter uns ist. Trotzdem hat sie sich jetzt ihr Traumauto gekauft. Sie hat eine Schmerzmittelpumpe bekommen sowie Morphin Pflaster auf dem Rücken. Sie darf nicht Auto fahren aber sie denkt das sie es noch einmal kann. Sie verdrängt einfach ihre krankheit und möchte auch nicht drauf angesprochen werden. Ich könnte vor Sorge platzen muss es aber akzeptieren und so tun als ob nichts wäre. Sie sagt Mama ich bin kein Kind mehr. Nur die Frage ob sie auf etwas besonderes Appetit hat bringt sie auf die Palme. Also habe ich mich zurückgezogen und warte nun ab bis ich gebraucht werde.

Fühle mich wie gelämt .....

Das habe ich ja schon