Güsi

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Sonntag, 17. November 2019 - 20:22

Enddarmkrebsbehandlung mit Erhalt des Schließmuskels – Leben mit Folgen

Auszüge aus o.a. Diskussion vom 2 Chirurgen  aus einer der 13 Spitzenkliniken Deutschlands.

Frage: Wie ist das, kann man das vorher abschätzen, ob ein Patient solche Folgezustände hat oder nicht?

  • Das Endergebnis ist von vielen Faktoren und da spielt natürlich auch das Alter eine zentrale Rolle. Ich glaube wir als Chirurgen müssen auch lernen, dass  eine erfolgreiche Operation mit Schließmuskelerhalt nicht immer die beste Versorgung des Patienten ist, weil selbst wenn die neuer Nahtverbindung perfekt hält, der Patient aber aus verschiedenerlei Gründen keine adäquate Kontinenz mehr erreicht, dann ist wahrscheinlich die Versorgung mit einem definitiven Stoma die wesentlich bessere. Das ist einerseits eine individuelle Einschätzung, auch eine individuelle Entscheidung mit dem Patienten, auf der anderen Seite muss dadurch, dass es so eine einschneidende Veränderung für den Patienten bedeutet, wahrscheinlich bei vielen Patienten erst der Weg der Inkontinenz gegangen werden, damit man das auch annehmen kann, dass es eben nicht mehr so gut funktioniert und dann die Versorgung beispielweise mit einem dauerhaften künstlichen Ausgang die bessere Lösung darstellt. So eine Entscheidung ist sehr, sehr schwierig, das Alter und die Risikofaktoren, die ich genannt habe, spielen da alle eine Rolle. Mir ist dafür kein mathematisches Rechenmodell anhand verschiedener Parameter, mit dem man abschätzen kann, bei dem Patienten funktioniert es oder bei dem Patienten funktioniert es nicht. es macht auch gar keinen Sinn, denn vor allem der Heilungsverlauf der Nahtverbindung spielt da eine zentrale Rolle.
  • Wenn wir Patienten haben, von denen wir wissen, da ist ein super schlechtes Ergebnis  entstanden, sei es, dass die Naht nicht geheilt ist, sei es, dass die Bestrahlung  noch nachgewirkt hat, wie auch immer, überlegen wir, hätte man das vorhersehen können und den Patienten vielleicht anders beraten , mehr in Richtung Stoma beraten sollen? Im Nachhinein, wenn man denkt, es wäre wahrscheinlich besser gewesen, wenn man einen künstlichen Ausgang gemacht hätte, gibt es zwei Probleme. Das eine ist, dass wir trotz wissenschaftlicher Arbeit nicht präzise abschätzen können, welches Ergebnis beim einzelnen Patienten herauskommt. Wir können natürlich in Gruppen zusammenfassen und wir wissen, dass die Nahthöhe einen Einfluss hat, dier Nahtundichtheit, wenn sie auftritt, aber für den einzelnen Patienten ist es  extrem schwer, eine Vorhersage zu treffen. Der zweite wichtige Punkt ist, und das ist auch absolut menschlich – darüber  diskutieren  wir auch mit der ILCO – wenn man das Gefühl hat, es wäre besser, man würde gleich einen künstlichen Ausgang machen, ist es ja immer eine Entscheidung, die dem individuellen Patienten wahnsinnig schwer fällt.  Das Stoma bedeutet natürlich ein völlig anderes Körpergefühl, an das man sich gewöhnen muss. Ich, auch die ILCO und die Stomatherapeuten wissen, dass nach ein paar Monaten die Patienten, die offen damit umgehen , eigentlich eine identische Lebensqualität  haben wie jemand, der kein Stoma hat, aber das zu akzeptieren ist eine schwierige Entscheidung.
  • Güsi
  • (Auszug  meinen ILCO-Unterlagen „ILCO-Praxis)
28 posts
Sonntag, 1. Dezember 2019 - 19:28

Hallo Güsi,

es ist sehr interessant, dass Du, die ILCO und die Stomatherapeuten "wissen", dass die Patienten mit Stoma eigentlich eine identische Lebensqualität haben, wie jemand der kein Stoma hat.

Verzeih mir, aber ich habe selten so einen Stuß gelesen!

Ich für meinen Teil habe seit 18 Monaten ein Stoma. Mein Resümee ist:

  • Es ist besser als tot zu sein
  • Es ist wahrscheinlich besser als im Rollstuhl zu sitzen oder blind zu sein
  • Ich habe eine Lebensqualität, die noch lebenswert ist
  • Ich habe aber lebenslang eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität

Auch einen Grad der Behinderung von 80 bekommt man in diesem Land nicht, weil die Lebensqualität dieselbe bleibt.

Vielleicht hast Du aber recht, dass in der Regel die Anlage des Stoma die bessere Variante ist. Dass die Rückverlegung oft kein gutes Ergebnis erzielt und dann am Ende ohnehin nur die Anlage eines Stoma zu einer wirklichen lebenswerten Lebensqualität führt, dass mag in vielen Fällen so sein. Da möchte ich mir auch kein Urteil drüber erlauben, weil ich nur die andere Variante kenne.

Jedenfalls finde ich es daneben, wenn man glaubt zu wissen, wie sich Betroffene fühlen. Am Ende ist das immer eine individuelle Sache.

Liebe Grüße

Hoffnung 2019

Güsi

391 posts
Samstag, 28. Dezember 2019 - 21:52

Hallo Hoffnung 2019,

möchte soeben auf  deine Antwort meines Berichtes "Enddarmkrebsbehandlung mit Erhalt des Schließmuskel - Leben mit Folgen", folgendes mitteilen.

1) Ich habe seit 2012 ein Colostoma bekommen, wegen der guten Beratung durch den Chefarzt der Chirurgie vor der Operation. Ich hätte nur zwei Möglichkeiten, entweder für eine Rückverlegung des Darmes oder einen künstlichen Ausgang (Anus Praeter =Stoma) 

Rückverlagerung des Darmes bedeutet mindestens 6 Monate bis zu 3 Jahren ,  mindestens 8-10 mal /täglich  auch in der Nacht, den Gang zur Toilette, in der ersten Zeit  wegen Durchfall., d.h. tragen von Windeln usw. Wo bleibt in dieser Zeit die Lebensqualität

Hingegen bei einem Stoma mit einem zusätzlichen Verschluss zum Öffnen, kann man gemütlich noch zum WC gehen und den Beutel entleeren.

Meine Antwort lautet deshalb " Colostoma1" .

Nach 7 Wochen fuhr ich mit dem Auto, 1 Woche  in den Urlaub.

Schwerbehindertenausweis  Grad der Behinderung 80%  die ersten 5 Jahre  ,  anschließend Neubeantragung  100%  und zwar unbefristet.

( Beurteilung der Behinderung ist Ländersache - Bayern-) 

Da ich selber Leiter einer ILCO-Gruppe bin, wo auch Mitglieder, mit einer Darmrückverlagerung zugegen sind, weiß ich anhand  der geführten Gespräche mit diesen Personen genauen Bescheid zwischen Stoma und Rückverlagerung.

Gruß

Güsi

28 posts
Sonntag, 5. Januar 2020 - 19:27

Hallo Güsi,

wenn Du meinen Beitrag genau gelesen hättest, hättest Du folgende Punkte bemerkt:

 1. Ich habe nicht behauptet, dass ein Stoma die schlechtere Variante ist

2. Meine Kernaussage war: Jeder empfindet das anders und ich finde es nicht gut, "zu wissen wie sich Stoma-Träger nach einiger Zeit fühlen". Du weißt nur, wie Du Dich fühlst.

Ich selbst konnte bereits nach zwei Wochen nach der OP wieder Auto fahren. In den Urlaub fahre ich nicht, ich möchte nicht mehr außerhalb von zu Hause übernachten. Wahrscheinlich ist letztlich auch für mich das Stoma die bessere Lösung.

Was ich aber eben nicht empfinde: Ein auch nur annähernd ähnliche Lebensqualität, wie zuvor. Ich lebe noch, das Leben ist noch lebenswert aber die Einschränkung ist erheblich.

Wenn es bei Dir anders ist, dann ist das schön und ich gönne es Dir von Herzen. Aber es ist Deine ganz individuelle Sicht.

Liebe Grüße

Hoffnung2019

Michel

27 posts
Dienstag, 4. Februar 2020 - 14:45

@Hoffnung2019

Auch aus meiner Sicht absolut richtig, wenn Du sagst, dass die Lebensqualität mit Stoma nicht so gut ist, wie es eben mal früher ohne dieses Loch im Bauch war. Klar, besser als tot... Ist schon so. Ich ertrage das mal so seit Feb. 2019. Zwischendurch gibt's immer mal wieder Durchhänger, obwohl ich nicht ständig daran denke.

Urlaub... Den habe ich erstmal abgehakt und träume nur noch von den einst unbeschwerten Entdeckungstouren.. 

Essen gehe... Zurzeit nicht so gerne. Bleibe am liebsten in daheim, allenfalls kleiner Ausflug in Wohnähe.

Herzliche Grüße und allen Lesern alles erdenklich Gute

Michel

Andreas

246 posts
Mittwoch, 5. Februar 2020 - 13:25

Hallo,

ich wollte nur mal meine Sicht schildern.

Ich hatte für acht Monate ein Ileo-Stoma. Meine Anfänglichen Befürchtungen vor einem Stoma haben sich aber rasant gelegt. Ich kam sehr gut damit zurecht. Kein Geruch, kein Platzen oder Auslaufen des Beutels. Alles klappte. Nur ich muss auch sagen, dass es schon eine Einschränkung war. Ich gehe z.B. gerne ins Stadion. Wenn man da auf die Toilette muss ist das Horror. Auch auf den Behindertentoiletten. Ebenso auch in der Stadt, Weinmarkt, Weihnachtsmarkt oder sonstige Veranstaltungen hab ich gemieden. War immer nur entspannt wenn ich in den eigenen 4 Wänden war.

Klar, wenn es gesundheitlich oder medizinisch nicht anders geht hat man keine Wahl. Dann ist es gut, dass es sowas gibt. Ich kann nur sagen, dass es mit der Rückverlegung eine gute Entscheidung war! Für alle, bei denen das nicht möglich werden da auch gut mit zurecht kommen.

Klar hatte ich Anfangs auch Probleme nach der Rückverlegung. Aber wenn ich so zurück denke, was das gar nicht so heftig wie viele es beschreiben. Also ich kann ja nur von mir sprechen. Ich war nie täglich 10x´auf dem Klo. Es kam schon mal vor, dass man einen Tag hatte der echt Beschissen laugh war. Aber jetzt, nach einem halben Jahr ist fast alles normal. Bei mir ist es eher so, dass ich 2-3 Tage gar nicht zum Klo muss, dann aber halt an dem Tag wo ich kann/muss halt öfters...oder halt ne längere Sitzung.

Mein Fazit ist, dass ich froh bin über die Rückverlegung. Ich habe aber auch keinen Vergleich zum Colostoma. Mit meinem Ileostoma musste ich auch 5 x am Tag zum entleeren oder gar öfters. Es soll ja auch Leute geben, die warten bis das Ding am Bauch explodiertlaugh. Ich fühlte mich sicherer, wenn das Ding immer nicht zu voll war. Daher auch halt öfters zum Klo!

Wie gesagt, das ist nur meine Meinung.

LG Andy